Experten-Probefahrt: Stellantis-Transporter mit Brennstoffzelle

von | 4. November 2023

Die Reichweite mit Batterien zu kurz, die Ladezeit zu lang? Die Antwort gibt ein Trio aus dem Hause Stellantis mit Brennstoffzelle: Der Konzern gibt (Wasser-)Stoff.
Opel

Opel Combo Cargo: mehr Traktion mit Allradantrieb

Man sieht, dass man nichts sieht. Hört, dass man (fast) nichts hört. Und weiß doch, dass man hinter dem Steuer eines ganz besonderen Transporters sitzt. Er hat’s faustdick hinter den Außenspiegeln: Egal ob Citroen e-Jumpy Hydrogen, Opel Vivaro-e Hydrogen oder Peugeot e-Expert Hydrogen – Stellantis, der französische Mutterkonzern des Trios gibt Stoff – Wasserstoff, oder international Hydrogen. Als Energie zum Betrieb einer Brennstoffzelle.

Opel

Aus Freude am Fahren: Die Leistungsentfaltung des neuen E-Antriebs ist phänomenal, muss man erleben.

Unter dem Bauch: 4,4 Kilogramm Wasserstoff

Basis sind die kompakten E-Transporter des Konzerns. Traktionsbatterien raus, stattdessen drei Tanks mit zusammen 4,4 Kilogramm Wasserstoff rein. Zusätzlich als Puffer und Energiereserve zwei Batterien mit nutzbaren 10,5 kWh aus den Plug-in-Hybriden des Konzerns einschließlich Lademöglichkeit unter die Vordersitze gepackt. Unter der Motorhaube war oberhalb des E-Triebwerks viel Platz, also hinein mit einer Brennstoffzelle, genauer gesagt einem mittelgroßen Brennstoffzellenstack aus 254 Zellen mit 45 kW Leistung. Dazu gibt es drei Kühlkreisläufe mit unterschiedlichen Temperaturniveaus für Brennstoffzelle, Elektronik und Batterien. Anschluss für Strom wie gewohnt vorne links, für Wasserstoff hinter der einstigen Dieselklappe hinten links. Klingt aufwendig – niemand hat behauptet. dass diese Art des Antriebs mit eigener Stromfabrik an Bord unkompliziert ist. Und so verwandelt Stellantis in der Opel-Heimat Rüsselsheim batterieelektrische Transporter aus französischer Fertigung in Brennstoffzellen-Transporter.

Ein umständliches Verfahren, aber bei Opel gibt es Wasserstoff-Erfahrung und Kapazität für die zunächst geplanten 1000 Transporter im Jahr. Ab dem zweiten Quartal 2024 sollen die Zahlen der Stellantis Hydrogen-Transporter nach dem Modellwechsel der größeren Kollegen Citroen Jumper, Fiat Ducato Opel Movano und Peugeot Boxer deutlich steigen. Und mit diesen Stückzahlen vermutlich die Fertigung in die Heimatwerke wechseln.

Geringe Effizienz, aber Nutzung überschüssiger Windenergie

Wir müssen reden. Reden über Wasserstoff und Brennstoffzelle. Anders als bei den Lkw-Schwergewichten freunden sich bisher fast nur französische Konzerne mit Brennstoffzelle und Wasserstoff an Bord an. Über die sich nachzusinnen lohnt. Vielfach wird Wasserstoff bisher aus fossilen Rohstoffen gewonnen, auch ist die Effizienz dieser Art von Stromgewinnung mit doppelter Umwandlung mau. Andererseits lässt sich Wasserstoff aus überschüssiger Windenergie gewinnen und im Unterschied zu Strom überall speichern. Und die praktischen Vorzüge sind nicht von der Hand zu weisen: Anstelle langer Standzeit an Ladesäulen schnurrt der E-Transporter mit Brennstoffzelle nach wenigen Minuten wieder fix von der Zapfstelle los. Wenn er denn eine findet – sie sind mit zurzeit rund 100 Stationen in Deutschland dünn gesät, im Ausland sieht es noch dürftiger aus, von 250 Zapfstellen isn Europa ist die Rede. Aber ihre Zahl soll nach den Wünschen der EU in den kommenden Jahren deutlich steigen. Praktisch: Der Monteur kann den Transporter wie vom Diesel gewohnt abends mit nach Hause nehmen, Diskussionen um die Aufladung an Steckdose oder Wallbox entfallen.

Randolf Unruh

Die Sitzposition war, ist und bleibt froschähnlich.

Fahrgefühl wie jeder Stromer, eingeschränkter Platz im Cockpit

Wie fährt sich ein Brennstoffzellen-Transporter? Die Antwort ist einfach: gelassen wie die anderen Stromer. Wer die batterie-elektrischen E-Transporter von Citroen, Opel und Peugeot kennt, der kennt auch die Modelle mit Brennstoffzelle, denn der E-Antrieb ist identisch. Das heißt Mittelkonsole mit einfacher Klaviatur, drei Fahrmodi mit unterschiedlichen Leistungen von 60 über 80 bis 100 kW, dazu zwei Varianten der Rekuperation. In der Instrumententafel taucht oben links eine Anzeige für den Wasserstoffvorrat auf. Und die Reichweitenanzeige beginnt optimistischer bei rund 400 Kilometern – ein Transporter nimmt sich gut ein Kilo Wasserstoff pro 100 Kilometer, als Reserve gibt es obendrauf den Strom aus den Batterien. Macht 350 plus 50 Kilometer nach Norm. Die zusätzliche Pufferbatterie mit ihrer Stromreserve wird benötigt, weil eine Brennstoffzelle gerne kontinuierlich arbeitet. Sie mag keine schnellen Bewegungen des Fahrpedals, wie sie im Alltagsverkehr üblich sind. Deshalb speist die Brennstoffzelle die Batterien, die Batterien übernehmen dann Versorgung der E-Maschine.

Kenner der Transporterdrillinge entdecken eine neue Ablage zwischen den Vordersitzen. Drunter steckt E-Technik, deshalb gibt es auch keinen Beifahrer-Doppelsitz, er passt nicht mehr hinein. Sitzriesen bemerken die eingeschränkte Höhenverstellung des Fahrersitzes: Wegen des Batteriepakets ist zwar die Grundstellung identisch, dann aber geht es nur für Kurze hinauf, für Lange aber nicht mehr hinunter. Wie gewohnt: Das lauteste Geräusch an Bord ist unterwegs das Ticken des Blinkers.

Nutzlast eine Tonne, fixer Wasserstoffpreis

Das Fahrverhalten wirkt, als hätten die Transporter ordentlich Fracht im Heck. Doch bei der ersten Tour ist alles leer – es sind die drei Wasserstoffflaschen mit zusammen 220 Kilo Gewicht plus Brennstoffzelle, weshalb sich die Transporter in den Federn wiegen. Das Leergewicht beläuft sich auf rund zwei Tonnen wie bei den bekannten Batteriestromern der Gruppe, macht ebenfalls eine Tonne Nutzlast, plus Anhängelast von einer weiteren Tonne. Anders ist der Preis, Opel nennt eine stolze Leasingrate von rund 700 Euro monatlich, das liegt ganz erheblich über dem Batteriemodell. Flugs fährt Stellantis den Hinweis auf Fördermittel in Höhe von 80 Prozent der Mehrkosten für die Kastenwagen auf – wenn man denn entsprechende Aufrufe erwischt. Im Unterschied zum Strom- oder Dieselpreis ist Wasserstoff kalkulierbar, der Kilopreis beläuft sich zurzeit bundeseinheitlich an Tankstellen mit 700 bar für Pkw und Transporter auf 13,85 Euro.

Das Spektakulärste an dem Transporter-Dreigestirn ist, wie unspektakulär es sich in der Praxis benimmt. Man sieht, dass man nicht sieht. Und hört, dass man (fast) nichts hört. Und es bleibt nicht bei den Hydrogen-Transportern im Kompaktformat: 2024 gehen auch die großen Transporter des Stellantis-Konzerns mit Brennstoffzelle an den Start. Mehr dazu hier: Stellantis: Vans von Citroen, Fiat, Opel und Peugeot runderneuert

Brennstoffzelle: Was machen die anderen?

VW und Mercedes haben sich von der Idee Brennstoffzelle plus Wasserstoff im Transporter nach einem kurzen Aufflackern im Jahr 2018 zur IAA verabschiedet. Sie setzen auf batterieelektrische Antriebe. Ford hat’s im Transporter zunächst nicht probiert. Dann war von einem Wasserstoff-Verbrennungsmotor für den Mustang die Rede. Inzwischen läuft ein Pilotprojekt in Großbritannien mit acht umgebauten E-Transit. Da der französische Staat stark auf grünen Wasserstoff setzt, schiebt neben Stellantis auch Renault das Thema an. Hier steht der große Master im Mittelpunkt. Mit Gasflaschen unter dem Hochdach eines Kastenwagens oder innerhalb des Rahmens des Fahrgestells – da gibt es noch Entwicklungspotenzial, da geht noch was. Vielleicht beim neuen Renault Master? Ob’s bei dem derzeit dünnen Angebot und frankophil geprägten Angebot bleibt? Der Brennstoffzellenantrieb ist aufwendig, ebenso die Gewinnung des Wasserstoffs. Aber da im Moment das Thema Energie aus aktuellen politischen Gründen an Dramatik gewonnen hat, kann sich die Lage auch fix wieder ändern. Siehe IAA 2022: Bosch präsentierte dort einen Prototyp auf Basis VW eCrafter. Ebenso Iveco einen Brennstoffzellen-Daily in Zusammenarbeit mit Hyundai.

NEWSLETTER

SOCIALS

BELIEBTE NEWS

BELIEBTE TESTS