Leseprobe
Experten-Test: Renault Trafic E-Tech

von | 12. August 2024

Kompakte Technik, hohe Nutzlast, stolzer Preis – dieser E-Transporter spielt eine eigene Rolle. Experten-Test: Renault Trafic E-Tech.
Randolf Unruh

Typisch Renault Trafic E-Tech: silbriger Schnurrbart, langer Radstand, hohe Nutzlast, sparsame Technik.

Der silbrige Chrom-Schnurrbart glänzt, das Gesicht lächelt – Transporter müssen nicht langweilig in Weiß oder Hausmeistergrau daherkommen. Mal schauen, was so alles im Teilelager steckt, der vollelektrisch angetriebene Renault Trafic E-Tech trägt gerne die Technik seiner Kollegen auf. Das spart Geld und Entwicklungsaufwand. Er nutzt Technik vom früheren Kleinwagen Zoe und vom aktuellen Kangoo Rapid E-Tech. Auch vom bisherigen Master E-Tech. Und es wird kein Zufall sein, dass im nagelneuen sportlichen E-Kleinwagen Alpine A 290 zwar eine viel stärkere Maschine, aber eine Batterie von identischem Ausmaß auftaucht. Trafic E-Tech heißt daher: Elektromotor mit 90 kW Leistung und 245 Nm Drehmoment, Batterie mit 52 kWh Kapazität. Und eine optionale Schnelllademöglichkeit mit 50 kW. Was nicht wirklich schnell ist und auch nur langsam eingeführt wird.

Selbst in Langausführung trägt der Renault fast eine Tonne

Für einen Transporter klingt dies alles nicht nach einem großen Wurf, geschweige denn, nach großer Fahrt. Doch Obacht: kleine Technik bedeutet große Nutzlast. Mit langem Radstand, mit zwei Schiebetüren, einem Holzboden im Laderaum und ein paar leichtgewichtigen Kleinigkeiten brachte der Testwagen knapp 2,1 Tonnen auf die Waage. Das ist nur wenig mehr als der entsprechende Verbrenner. Daraus resultiert etwa eine Tonne Freiraum für Fahrer und Fracht. Damit ist der Renault plötzlich im Kreis der vergleichbaren E-Kollegen ganz vorne mit dabei. Einschränkungen gibt es angesichts der Anhängelast von einer knappen Tonne. Kleine Technik heißt eben auch überschaubare Zugkraft.

Die Fahrleistungen sind recht flott. Leer saust der Renault Trafic E-Tech in 13,5 Sekunden von null auf 100 Sachen. Für einen Transporter völlig ausreichend, auch wenn manche Elektriker schneller unterwegs sind. Ebenso angemessen ist die Zwischenbeschleunigung aus 60 km/h. Die auf 110 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit ist indes arg knapp bemessen. Auf der Autobahn sortiert sich der Renault damit in einer Zwischenwelt inmitten von Lkw und Pkw ein. Das sollte man ihm und sich außer auf kurzen Strecken ersparen.

 

Laderaum gut zugänglich und praktisch ausgestattet, das Fahrwerk stößt an Grenzen

Deutlich besser spielt er im Wortsinn eine tragende Rolle. Die Heckflügeltüren öffnen simpel und sauber auf 180 Grad. Vorn gibt es eine Klappe zur Verlängerung, falls die knapp drei Meter Ladelänge mal nicht genügen sollten. Etwa 2,7 Meter sind’s noch auf halber Höhe, also passen drei Paletten quer hintereinander. Gesichert an acht Zurrösen im Bodenbereich. Oben funzelt die Beleuchtung, LED kostet Aufpreis, das geht besser.

Und jetzt hinein ins Heck mit einer gewichtigen Palette. Prompt geht der Renault Trafic E-Tech tief in die Knie. Das leer eher sanftmütig-geschmeidige Fahrverhalten ändert sich – nun reagiert der Transporter etwas harsch auf Unebenheiten. Auch nickt der Vorderwagen bei Bodenwellen seiner Umgebung freundlich zu. Und bei scharf gefahrenen Kurven heißt es: Vorsicht, Heck schwenkt aus. Die Lenkung aber agiert stramm und zielgenau, passt.

Randolf Unruh

Fertigmachen zur Verbrauchsfahrt: gewichtige Palette im Laderaum.

Ein Cockpit mit Instrumenten und Bedienelementen zwischen Klassik und Moderne

Der Renault ist also keiner für die schnelle Hatz auf der Piste, eher ein Fall für die gelassene Fortbewegung. Dazu passt das gepflegte Cockpit. Der Steuermann nimmt auf einem recht weich gepolsterten, aber bequemen Sitz mit etwas knapper Längsverstellung Platz. Der Blick fällt wohlwollend auf die sanft schimmernde gebürstete Blende der Armaturentafel und klar definierte Lenkradtasten.

Bedienung und Information mixen Klassik und Moderne. Gestartet wird per Knopfdruck, aber die mechanische Handbremse per Hebel gelöst. Es gibt große und gut ablesbare analoge Instrumente ohne Firlefanz, ein in seiner Darstellungsqualität eher gestriges Display in der Mitte und praktische Drehregler für die Klimatisierung. Zahlreiche Ablagen einschließlich Schublade auf der Beifahrerseite und der geräumigen Sitztruhe nehmen den Alltagskram auf, auch das Ladekabel. Als wahres Wunderwerk der Klapp- und Falttechnik entpuppt sich die Rückenlehne des mittleren Sitzes. Sie dient wie überall gewohnt als Tisch, enthält aber im Trafic E-Tech auch ein herausnehmbares Klemmbrett und ein Versteck für den Laptop.

Die Eco-Stufe des Antriebs hat nur leer Sinn, der Verbrauch ist günstig

Unterwegs arbeitet das vorn untergebrachte Antriebspaket flüsterleise und rege. Nur im Schonwaschgang der Eco-Stufe lässt die Kraft arg nach. Dann stehen lediglich zwei Drittel der Spannkraft zur Verfügung, einschließlich einer Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h. Auf Eco getrimmt ist offensichtlich auch die serienmäßige Klimaanlage, sie stößt maximal ein laues Lüftchen aus. Der Form halber folgt der unvermeidliche Hinweis auf die bekannt mickrigen Trafic-Außenspiegel und die Renault-Kuriosität eines Weitwinkelglases in der rechten Sonnenblende.

Dagegen überzeugt, was sich alles an Verbrauchswerten und Fahrerbeurteilungen aus dem Touchscreen in der Mittelkonsole herausholen lässt. Da kann der Fahrer Zusatzkilometer erwirtschaften oder Wertungspunkte sammeln. Muss man nicht nutzen, kann aber den Ehrgeiz anstacheln, den sparsamen Renault Trafic E-Tech in einen echten Knauser zu verwandeln. Beladen benötigte er auf der standardisierten Redaktions-Testrunde zwischen 14,4 kWh auf 100 Kilometer auf der Kurzstrecke und 26 kWh im nicht gerade rasanten Galopp auf der Autobahn. Macht im Schnitt 20,6 kWh. Das liegt knapp unter dem Normverbrauch – und damit richtig gut.

Randolf Unruh

Die Darstellungsqualität ist anderswo weit besser, die Information über Verbrauch (oben) und Rekuperation (unten) aber umfassend.

Lange Pause an der Ladesäule, über den Preis gilt es zu reden

Zwischendurch und zum Schluss heißt es dann, Geduld bewahren. Denn an der Ladesäule zog der Testwagen ohne Schnellademöglichkeit matt mit maximal 22 kWh – für den stressigen gewerblichen Einsatz eine Zumutung. Geladen wird links unten an der B-Säule, das ist zwar verbreitet, indes nicht immer praktisch. Spätestens beim Stromzapfen wird deutlich: Der Renault Trafic E-Tech ist ein Fall für kurze und maximal mittlere Strecken sowie die Aufladung an Steckdose oder Wallbox im Betrieb. Bleibt noch ein Blick auf die Preisliste. Sie startet sehr ambitioniert bei netto 48 600 Euro – das hört sich nach recht üppigen Teilepreisen an.

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