Experten-Test: Nissan Interstar

von | 3. Juni 2025

Er ist rundum neu, sparsam, tragfähig, hat ein prima Cockpit und einen Zwillingsbruder. Experten-Test: Nissan Interstar
Randolf Unruh

Rundum neu: Nissan Interstar.

Katzen haben angeblich sieben Leben. Transporter haben mehr. Sie sind ungeheuer zäh. Irgendwann steht man vor dem vierten Facelift, horcht auf die dritte Motorengeneration und schaut drinnen aufs fünfte Cockpit. Diesmal ist alles anders: Der Nissan Interstar ist neu. Also wirklich neu.

Randolf Unruh

Vorbildliches Cockpit: klassische Instrumente, alles im Viertelkreis angeordnet.

Das Cockpit: extrem fahrerbetont, ein Mix aus Klassik und Moderne

Bitte einsteigen. Mit Lenkrad als einzigem Haltegriff? Von wegen, die seitlichen Getränkehalter der Armaturenanlage des Nissan Interstar sind als Einstiegsgriffe ausgebildet, darauf müssen Entwickler erst einmal kommen. Oben angelangt, können sich Fahrer recken und strecken, vom weiten Fußraum bis zur großzügigen Verstellung des Sitzes. Er ist recht bequem, allenfalls ist die Sitzfläche etwas kurz gekommen. Es herrscht Cockpit-Atmosphäre wie in keinem anderen Transporter dieser Klasse, denn Armaturen und Bedienungselemente sind in Form eines Viertelkreises angeordnet.

Die klassischen Instrumente des verzichten auf digitale Design-Spielereien, sind bestens ablesbar. Rechterhand gibt es drei Drehregler plus wenige Tasten für die Klimatisierung, so muss es sein. Darüber wächst ein Touchscreen mit einer Vielzahl von Informationen empor. Dort finden sich allerhand Einstellmöglichkeiten, auch eine Fahrerbewertung – aber der Nissan lässt sich problemlos auch ohne diese Hilfsmittel bewegen. Ladeschale fürs Smartphone, Steckdosen – alles da, und das Multifunktionslenkrad trägt richtige Tasten. Dazu große Außenspiegel plus Zusatzgläser, passt. Dass es noch einen Zündschlüssel und einen klassischen Handbremshebel in einem nagelneuen Transporter eigenwillig an – geschenkt.

Die Zweierbank rechts hat komfortable Einzelsitz-Polsterungen. Unten öffnet sich eine große Sitztruhe, oben entpuppt sich die Klapplehne des inneren Platzes als wahres Wunderwerk der Ingenieurskunst. Sie ist Tisch, Ablage und bietet einen Raum zur sicheren Unterbringung des Laptops. Das Fahrerhaus setzt sich aus handfesten Materialien zusammen und ist ordentlich verarbeitet. Komfortable Ergänzung wäre jetzt noch eine Verkleidung der stählernen Trennwand zum Laderaum.

 

Der Antrieb: antrittsstark und sparsam

Unter der brusthohen Motorhaube des Nissan Interstar steckt ein Zweiliter-Diesel, im Testwagen mit 110 kW (150 PS) vernünftig bestückt. Die Maschine arbeitet ausgesprochen geschmeidig. Sie tritt selbst aus niedrigsten Drehzahlen ohne Beschwerden an, überzeugt durch ihre Leistungsentfaltung. Das spiegelt sich in guten Elastizitätswerten wider. Abseits der Messwerte aber vor allem in einer entspannten und recht schaltfaulen Fahrweise. Weiterer Vorteil des Antritts plus passender Getriebe-Abstufung: Auch voll beladen kommt der Nissan an deftigen Steigungen beim Anfahren gut in Tritt.

Zusammen mit dem sichtbaren aerodynamischen Feinschliff der Karosserie – vorne Luftführung durch den Stoßfänger, schräge Windschutzscheibe, hinten eingezogene Seitenwände und abgesenktes Dach – resultiert daraus ein niedriger Spritverbrauch. Aber nicht übertrieben, das zeigen Aussparungen im Stoßfänger als Tritthilfe zum Scheibenputzen. Verbrauchsfahrten sind hier keine fröhliche Landpartie. Die normierte Stadt-, Überland und Autobahnstrecke ist topographisch anspruchsvoll, kräftig gewürzt mit einer Hochgeschwindigkeits-Etappe und der Transporter voll beladen. Umso besser das Ergebnis: Der Interstar stellte den bisherigen Bestwert von 8,8 Liter/100 km für 3,5-Tonner ein – Respekt. Daraus resultiert zusammen mit dem großen 80-Liter-Tank eine üppige Reichweite. Vermutlich wäre sogar ein noch besserer Wert drin: Nissan lässt den Transporter mit bis zu 170 Sachen galoppieren. War da nicht einst eine Vereinbarung der Hersteller auf maximal Tempo 160 km/h?

Randolf Unruh

Bitte einpacken: üppige Nutzlast, Boden und Zurrösen stabil.

Die Karosserie: gute Raumausnutzung, hohe Nutzlast

Zur sichtbaren Arbeit im Windkanal kommt ein selbstbewusster optischer Auftritt mit hochgerecktem Haupt, mit Straßenkreuzer-Grill, Chromstreifen-Eckzähnen und frisch geschliffenen Tagfahrlicht-Sicheln. Der Nissan Interstar signalisiert: Mit diesem Transporter ist nicht zu spaßen.

Aber mit ihm lässt sich arbeiten. Der Kastenaufbau ist passend eingekleidet in modisches Hausmeisterkittelgrau. Verzeihung: „Urban Grey“. Er hat es in sich, denn die kurze hohe Nase des Nissan ergibt eine gute Raumausnutzung. 10,8 Kubikmeter Volumen bei 5,7 Meter Länge, das ist was. Auch wenn Nissan zur Berechnung optimistisch die Maximalmaße der Ladehalle heranzieht. Beladen lässt sich der Frachter prächtig mittels der 1320 Millimeter breiten Schiebetür und nochmals breiter angelegten Radkästen hinter den Heckflügeltüren. Stabiler Holzboden, kräftige Zurrösen, LED-Licht – allenfalls die etwas altbackenen Aufsteller der Heckflügeltüren ließen sich bemängeln. Sie sind aber im Umgang nicht wirklich ein Problem.

Auch die Gewichtsbilanz stimmt. 2,2 Tonnen Leergewicht trotz reichhaltiger Ausstattung in der Variante N-Connecta, trotz Anhängerkupplung und großem Dieseltank bedeuten 1,3 Tonnen für Fahrer und Fracht. Ein prima Wert für einen nagelneuen 3,5-Tonner. Indes erkauft mit teils etwas luftig wirkenden und lässig verarbeiteten Blechen. Man merkt’s an den scheppernd ins Schloss fallenden Türen oder leichten Polter- und Dröhngeräuschen unterwegs. Auch 2,5 Tonnen Anhängelast sind kein Spitzenwert.

Das Fahrwerk: ein strammer Bursche – und der Zwillingsbruder?

Wer vom komfortablen Fahrerhaus auf ein sanftes Fahrwerk schließt, liegt falsch. Der Nissan Interstar entpuppt sich leer wie beladen als strammer Bursche. Er sackt dafür auch bei voller Beladung kaum ein. Die Lenkung lässt ein wenig Fahrbahnkontakt vermissen und die Vorderachse lädt mitunter zu einem Tänzchen ein, es könnte an den Reifen gelegen haben. Aber was für eine Bremse: sie spricht geradezu rasant an. Und weil der Radstand kürzer ausfällt als beim Vorgänger ist der Wendekreis deutlich knapper bemessen.

Das alles kostet in der gehobenen Ausstattungsvariante N-Connecta laut Liste netto 39 350 Euro. Und ist ebenfalls als E-Variante lieferbar. Und wie war das mit dem Zwillingsbruder? Der Renault Master steht technisch identisch aber mit anderem Gesicht beim Transporterhändler sowie mit einem flotten roten Querstreifen im Grill bei Renault Trucks.

Sie interessieren sich für die Zwillinge Nissan Interstar und Renault Master? Aber gerne:
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