Experten-Test: Opel Movano
Hier schlagen selbst die besten E-Transporter leicht verschämt die Scheinwerfer nieder und Motorenerfinder Rudolf Diesel sitzt hoch oben auf seiner Wolke und reibt sich lächelnd die Hände. Keine Abgaswolke, das versteht sich angesichts von Euro 6e und dem kompletten Reinigungsprogramm mit einem Chemiewerk vor dem Auspuff.
Die Reaktionen haben ihre Ursache. Nach dem Volltanken prognostiziert der Opel Movano gut 1000 Kilometer Reichweite. Der nächste Weg führt zur Waage. Trotz guter Ausstattung kommt der 3,5-Tonner auf lediglich 2,22 Tonnen Leergewicht. Macht knapp 1,3 Tonnen oder 1300 Kilo Nutzlast für Fahrer und Fracht. Das freut auch den freundlichen Baustoffhändler Thomas Greß, er packt eine gewichtige Palette Schnellbeton als Ballast ins Heck.
Den Opel in der stämmigen Ausführung 35 Plus irritiert das wenig. Der Zusatz bedeutet im Unterschied zum gewöhnlichen 3,5-Tonner verstärkte Federn. Ergebnis sind vorn 2,1, hinten 2,4 Tonnen maximale Achslast und 3,0 statt 2,5 Tonnen Anhängelast. Leer steht die Fuhre angesichts dieser Reserven hinten hoch, unter voller Last knickt sie nicht ein. Die Kehrseite: Ohne Fracht an Bord tanzt der Opel auf kurzen Bodenwellen einen temperamentvollen Rock’n Roll. Teilt unerbittlich den Straßenzustandsbericht mit. Kontrast dazu ist die sensibel abgestimmte Lenkung. Zielgenau, weder zu schlabbrig noch zu stramm – prima.
Die stramme Parabelfeder an der Hinterachse hievt die Ladekante auf 615 Millimeter Höhe. Gut, dass der Testwagen an den Ladeluken über kräftige Haltegriffe verfügt. Unten sind Boden und Radkästen sorgfältig umbaut. Oben glänzt der Opel mit einem Baldachin und LED-Flutlicht. Recht optimistisch ist die Angabe von 11,5 Kubikmeter Laderaum für den 5,4 Meter langen Movano. Trotzdem: Die Raumausnutzung ist hervorragend, Vorteil der kleinen Nase des großen Opel.
Der Transporter ist nicht ganz so opelig, wie es die schwarzglänzende Kunststoffblende vorn und zahlreiche Blitze als Markenzeichen erscheinen lassen. Der Movano ist ein Stellantis wie die baugleichen Transporter von Citroen, Fiat und Peugeot sowie inzwischen auch Toyota. Sie fahren im praktisch unveränderten Karosseriekleid bereits seit 2006.
Also zählt der Movano mit seinem grau-metallischen Lack in jeder Hinsicht zu den Silberrücken. Damals war Opel von den heutigen Markenkollegen so weit entfernt wie die Erde von der Sonne und in Sachen Transportern mit Renault verheiratet. Seit der Geburt der Geschwister des aktuellen Movano scheppern die Türen des Fahrerhauses ins Schloss, wirkt manches Blech in den Ecken des Frachtraums überschaubar ambitioniert eingesetzt.
Auch das Fahrerhaus ist in seinen Grundzügen von gestern. Die Sitzposition wirkt für Hünen am Steuer unglücklich froschig, die Seiten der Sitzfläche drücken und die Längsverstellung ist etwas knapp. Das Lenkrad ist nur längs verstellbar, sein Kranz verdeckt einen Teil der Instrumente. Und die Streifen nackten Blechs an den Türen sind keine Augenweide. Der Beifahrerplatz aber ist recht bequem. Und die Lehne des Mittelsitzes entpuppt sich mit seinem herausklappbaren Schwenktisch plus Ablagen als wahrer Zauberkasten.
Aufmerksamkeit verdient die renovierte Armaturentafel. Als Bestandteil eines Zusatzpakets bringt der Movano volldigitale Instrumente mit, programmierbar und mit einem großen roten Rundtacho plus Digitalanzeige sehr ansehnlich. Wäre da nicht der verkorkste Drehzahlmesser, der seine digitalen Striche nur in Fünfhunderter-Schritten anzeigt. Was Ablesbarkeit betrifft, haben also die schlichten aber klaren Serieninstrumente deutliche Vorzüge.
Opel liefert die Digi-Instrumente in Verbindung mit einem großen mittigen Monitor. Der ist mit perfekt ablesbaren Klarschrift-Anzeigen eine Augenweide und lädt zu intensiverer Beschäftigung ein. Siehe da, die Assistenzsysteme im Movano lassen sich sowohl ein- und ausschalten, als auch in ihrer Intensität regeln, einschließlich der akustischer Warnungen. Das macht das Leben an Bord angenehm, denn wie im richtigen Leben erfüllt nicht jeder Assistent seine Aufgabe zur Zufriedenheit.
So drängt der aktive Spurhalteassistent den Opel bei schmalen Landstraßen ohne Mittelstreifen in Richtung Gegenverkehr. Ein sattsam bekanntes und leidiges Thema breiter Transporter. Und dem Verkehrszeichenassistenten könnte man zum Sehtest schicken, da er zeitliche Einschränkungen von Tempobegrenzungen nicht erkennt und verblichene Nato-Schilder an Brücken missdeutet.
Unten in der Mittelkonsole ist Platz für diverse Stecker. In der Nähe lassen sich ohne lästige Fummelei in Menüs die Grundfunktionen der Klimatisierung einstellen, ebenso die Lautstärke des Audiosystems. Hinzu kommt die simple Bedienung des Radios über Tasten auf der Rückseite der Lenkradspeichen.
Die Lautstärke an Bord ist so eine Sache, sagt doch der 2,2-Liter-Diesel recht deutlich seine Meinung. In der Leistungsstufe von 103 kW (140 PS) und 350 Nm Drehmoment gibt er den Allrounder. So wedelt der Movano mit seinen kompakten Maßen munter durch Stadt und Land, galoppiert über Autobahnen. Erst an langen Steigungen geht ihm die Puste aus. Die Maschine fühlt sich bei mittleren Drehzahlen wohl, wirkt tief unten etwas matt, oben zugeschnürt. Das heißt häufig schalten, beim Testwagen im Unterschied zu früheren Testwagen der Stellantis-Baureihe eine etwas zähe Angelegenheit.
Belohnt wird der Fahrer mit einem exzellenten Verbrauch. Vollgepackt gibt sich der 3,5-Tonner bei achtsamer Fahrweise auf Kurzstrecken mit weniger als acht Liter 100/km zufrieden. Im Überlandbetrieb ist es nur wenig mehr und auf gelassen absolvierten Autobahnetappen sind‘s knapp über neun Liter. Auch der Verbrauch in Full flight von 12,6 Litern ist angesichts des Movano-Formats ein guter Wert.
Der Bordrechner zeigt den Konsum auch farbig an, ähnlich dem Bandtacho im Opel Rekord der frühen Sechziger. Insgesamt landete der Movano bei lediglich 8,8 Liter/100 km – ein herausragend guter Wert für einen beladenen 3,5-Tonner. Ergibt zusammen mit dem 90-Liter-Tanks die riesige Reichweite. Fahrer dieses Movano bunkern Energie wenn sie wollen, nicht wenn sie müssen.
Da zahlt sich ganz offensichtlich die verbesserte Aerodynamik aus. Sie wird an der nun weitgehend geschlossenen Front sichtbar – der die Trittstufen zum Scheibenreinigen zum Opfer gefallen sind. Eine Kühlerjalousie soll die Windschlüpfigkeit ebenso verbessern wie die geriffelten Gehäuse der großen Außenspiegel.
Unter dem Strich beweist sich der Opel Movano als Klassiker der Moderne. Ohne den Premium- und Perfektions-Anspruch teurerer Fabrikate. Aber mit praktischen Vorzügen vor allem unter der Motorhaube und im Laderaum. Über den Listenpreis von netto 37 900 Euro wird sich reden lassen. Da könnte mancher E-Transporter neidisch werden. Und Rudolf Diesel würde sich freuen.
Und was kann die E-Variante? Hier geht’s zum Experten-Test des baugleichen Kollegen:
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