Experten-Report: 30 Jahre Mercedes Vito
Er ist der erste echte Mercedes mit Vorderradantrieb. Er hat einen feinen Bruder mit wechselhaftem Namen. Und er steht unmittelbar vor einer hochspannenden Zukunft: Mercedes hat sich mit dem Vito auf das neue Terrain der Kompakt-Transporter begeben. Und sich Generation für Generation näher an die Spitze herangearbeitet.
Das waren Zeiten: Mit Zukäufen arrondiert Mercedes bis Anfang der siebziger Jahre sowohl Programm als auch Produktion. Den Auftakt macht die Übernahme der Auto Union, Marke DKW, mit Werken in Düsseldorf (heute Transporter) sowie Vitoria im spanischen Baskenland. Weiter geht‘s im Rahmen der Übernahme von Hanomag-Henschel mit dem ehemaligen Borgward-Areal in Bremen (erst Transporterwerk, heute längst Pkw), dem Henschel-Lkw-Werk in Kassel, sowie Transporter und Werk von Hanomag und einst Tempo in Hamburg-Harburg.
Während die Ära der einstigen Hanomag-Transporter bald endet, sie werden vom sogenannten Bremer Transporter T1 mit Hinterradantrieb abgelöst, laufen in Spanien weiterhin Transporter mit der eigenwilligen DKW-Grundkonstruktion vom Band: Frontmotor und Rundrohrrahmen. Bis zum MB 100 D mit Taxi-Diesel aus dem Pkw 240 D, in Spanien eine Komplettbaureihe von MB 80 bis MB 180 D. Aber dann…
Der Vito geht 1995 als Einheitskarosse an den Start. Eine Länge, flaches Dach, durchweg Heckklappe statt alternativ Flügeltüren. Der damalige Vertriebsvorstand Dieter Zetsche erläutert bei der Deutschland-Premiere, dass damit 85 Prozent der Kundenwünsche abgedeckt werden. Das soll genügen. Genügt aber nicht, Mercedes muss die Flügeltüren mühsam nachschieben. Zum platzsparenden Quermotor mit Vorderradantrieb gesellen sich der damals noch ungewöhnliche praktische Joystick-Schalthebel und eine feine Schräglenker-Hinterachse. Dazu kündigt Mercedes fürs kommende Jahr an: „Viano – die V-Klasse von Mercedes-Benz.“
Es bleibt zur Vorstellung des feinen Bruders 1996 bei der adeligen Pkw-Bezeichnung V-Klasse. Zu diesem flexiblen vielsitzigen Van gesellt sich der Vito Marco Polo für die Freizeit. Zum Missvergnügen von VW, denn der Marco Polo zielt auf den California, ausgebaut beide von Westfalia, wie übrigens auch der Ford Transit Nugget.
So schick Vito und V-Klasse auch auftreten, so intensiv Mercedes auch den Antrieb weiterentwickelt und das Modellprogramm ausbaut – in Sachen Qualität hält die Doppelbaureihe nicht, was der Name Mercedes verspricht. Das wird Folgen haben.
Ein kompletter Modellwechsel bereits nach acht Jahren? Für einen Transporter rasant. Es hat seinen Grund, denn Mercedes bürstet nicht nur das Design gegen den Strich, sondern auch Programm und Technik. Vorbei ist’s mit dem Vorderradantrieb. Längs eingebaute Motoren kosten zwar Platz, passen aber einschließlich Getriebe und angetriebener Hinterachse viel besser zum Aggregate-Baukasten von Mercedes. Zu den Wünschen der Kunden wiederum passen zwei Radstände und drei Längen. Plötzlich gibt es auch ein Hochdach und sowieso Heckflügeltüren. Mercedes ist in der Welt kompakter Transporter angekommen.
Auch das Thema Qualität rückt in den Mittelpunkt. Trotzdem wird der Pkw-Ausführung die begehrte Bezeichnung V-Klasse entzogen, sie firmiert nun als Viano, aus dem Van wird ein sachliches „Großraum-Fahrzeug“. Der Campervan Marco Polo wiederum rutscht eins rauf, er trägt nun den Vornamen Viano statt Vito. Zusammen mit dem neuen Antrieb halten Vito 4×4 und Viano 4Matic Einzug. Die Bezeichnung ist unterschiedlich, die Technik des Allradantriebs identisch.
In den kommenden Jahren gibt’s neben Fortschritten bei Optik und Cockpit auch viel Bewegung beim Antrieb. Neue Motoren, reichlich Spritspartechnik, die Idee eines Hybrids und mit dem batterie-elektrisch angetriebenen Vito E-Cell einen ersten großen Ausflug in den E-Antrieb.
Zur nächsten Generation wechselt Mercedes die Prioritäten. Jetzt geht erneut eine V-Klasse an den Start, der einfachere Vito für gewerbliche Einsätze wird jetzt nachgezogen. Diese V-Klasse rückt mit ihrem prächtigen Interieur klar in Richtung Pkw mit Stern. Neu ist ebenfalls das Blechkleid, doch Details wie identische Radstände oder die kleinen Van-Fenster hinter der A-Säule zeigen, dass die Entwickler Grundelemente übernommen haben.
Es folgt der Vito mit einem deutlich schlichteren Cockpit, aber weitgehend identischer Karosserie und Technik. Wesentlicher Unterschied: Seine Basisausführungen sind erneut von Quermotoren und Vorderradantrieb gekennzeichnet, zugeliefert als kompakte Antriebseinheit vom damaligen Kooperationspartner Renault. Wieder draußen ist das Hochdach, drinnen sind Assistenzsysteme, deren große Ära nun begonnen hat. Auch ein schick eingerichteter Marco Polo ist wieder dabei, Mercedes erweitert dessen Palette in den Folgejahren.
In denen sich optisch und technisch viel bewegt. Aufgefrischte Gesichter, verfeinerte Cockpits, das Infotainmentsystem MBUX, neue Dieselmotoren und Elektroantrieb – Vito und V-Klasse kennen keinen Stillstand. Die Stichworte dazu heißen eVito und EQV, die Elektriker werden Schritt für Schritt alltagstauglicher und leistungsfähiger.
Fortsetzung folgt: Nach 30 Jahren lässt Mercedes an den Nachfolgern schnuppern, die vierte Generation soll 2026 ins Rennen gehen. Nach gut 20 Jahren wird jetzt alles neu. Das bedeutet auch eine weit größere Trennung zwischen den Transporter- und Pkw-Ausführungen. Mit eigenständigen Karosserien – praktisch-kantig hier, elegant-rundlich dort – und hochspannenden Schritten bei den Antrieben. Zunächst war nur von der neuen modularen elektrischen Plattform Van.EA die Rede, inzwischen tauchen auch die Verbrenner wieder unter dem Kürzel Van.CA auf. Es wird nach drei Jahrzehnten nicht langweilig bei den kompakten Transportern und Vans mit Stern, ganz im Gegenteil.
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