Experten-Report: alles über Flexis – neue Marke, Transporter, Ideen

von | 8. Juli 2025

Flexis elektrisiert, die neue Marke ist anders als andere. Experten-Report: alles über Flexis – neue Marke, neue Transporter, Ideen.
Flexis

Das Flexis-Trio, hier bereits mit dem neuen Signet.

Noch tragen sie Arbeitstitel: Flexis Panel Van, Box Van und Step-in-Van. Sie sind Parallelmodelle zur neuen Renault-Flotte aus Trafic, Goelette und Estafette. E-Tech. Sie sollen die Szene der kompakten, elektrisch angetriebenen Transporter revolutionieren. Mit einem eigenständigen Auftritt, mit ungewöhnlicher Technik und mit neuen Services. Bekannt ist inzwischen das Logo. Und viel mehr.

Bekannte Väter, neue Marke, flink agieren wie ein Start-up

Hinter dem Projekt stehen drei Riesen: Renault, die Volvo-Group mit Renault Trucks und der französische Logistikkonzern CMA CGM. Renault benötigt einen Nachfolger für den Trafic, Renault Trucks will sein Angebot nach unten ausbauen, der Logistiger sucht hochspezialisierte Päckchenverteiler. Die gemeinsame Lösung heißt Flexis und ist für Entwicklung und Fertigung zuständig der neuen Transporter zuständig.

Dies passiert wie bei einem Start-up, ohne den riesigen schweren Rucksack an Werken, Abläufen, Mitarbeitern, wie sie herkömmliche Anbieter mit sich herumschleppen. Und führt gleichzeitig zu einer neuen Marke, denn Flexis will die selbst entworfenen E-Transporter ebenfalls unter eigenem Namen vermarkten.

Die Plattform, schneller laden, schwerer ziehen, flink wenden

Tragendes Element der neuen Transporterfamilie ist eine gemeinsame Plattform. Sie hat es in sich. Da wäre eine vergleichsweise günstige und haltbare Lithium-Eisenphosphat-Batterie mit einer Kapazität von wahlweise 60 oder 81 kWh. Eine aufwendige 800-Volt-Architektur sichert zusammen mit bis zu 240 kW Ladeleistung ein für Transporter rekordverdächtig rasantes Aufladen. Motto: lieber schneller laden als schwere und teure Batterien schleppen. Obendrein gibt es bidirektionales Laden.

Den E-Motor siedelt Flexis im Bereich der Hinterachse an. Er leistet 150 kW, bringt es auf 345 Nm Drehmoment. Der Stromverbrauch soll sich auf sparsame 17 kWh/100 km belaufen, das bedeutet Reichweiten von rund 350 und 450 Kilometer nach Norm. Dahinter stecken ausgefeilte Aerodynamik und die serienmäßige Wärmepumpe. Trotz lupenreinem Heckantrieb liegt die Ladefläche tief, der Motor baut nicht höher als ein DIN-A4-Blatt, so ein Insider. Heckantrieb bedeutet beladen Traktion und praxisgerechte Anhängelast, von zwei Tonnen ist die Rede. Gleichzeitig ermöglicht der Antrieb einen großen Einschlagswinkel der Vorderräder. Daraus resultiert ein Wendekreis von lediglich 10,3 Metern. Die zulässige Gesamtmasse variiert je nach Baureihe und Modell, erreicht bereits beim Trafic E-Tech bis zu 3,5 Tonnen. Flexis nennt für den Panel Van im Maximum mehr als 1,2 Tonnen Nutzlast.

Flexis

Die Plattform: Antrieb hinten, 800-Volt-Infrastruktur.

Die Software: Zentralrechner und Transporter die hinzulernen

Panel Van und Konsorten sind Software Defined Vehicles (SDV). Das heißt zwei Hochleistungs-Zentralrechner statt einer Vielzahl von Steuergeräten und ein eigenes Betriebssystem. Die digitalen Blutkörperchen schießen 50mal so schnell durch die Stromadern wie bisher. Weitere Vorteile sind firmenindividuelle Angebote für Fahrzeugfunktionen, Apps für die Steuerung des Betriebs spezifischer Funktionen und den Komponenten von Ein- und Aufbauten. Telematiksysteme der Nutzer lassen sich in das bordeigene System integrieren, Fuhrparkbetreiber können aus der Ferne Eingriffe vornehmen.

Zur Leistungsfähigkeit gehören eine fortlaufende Überwachung der Technik und vorausschauende Wartung, ein Batterie-Upgrade nach der Hälfte ihrer Lebensdauer, Überwachung der Ladevorgänge der Batterie. Die Software verspricht als offene Plattform eine nahtlose Integration von Zusatzfunktionen.

Weitere Fahrzeugfunktionen müssen nicht zwingend beim Erwerb eines Transporters hinzugekauft werden, sie lassen sich nachträglich installieren. Nicht zuletzt sind da eine noch präzisere vorausschauende Wartung in Echtzeit mit Ferndiagnosen, auch Updates Over The Air (OTA) zur fortlaufenden Aktualisierung. Der Panel Van und Co. altern daher nicht, sie reifen.

Flexis hat Pilotprojekte mit Kunden durchgeführt. Die Ergebnisse: Kunde A mit 30 E-Fahrzeuge an drei Standorten konnte durch den Einsatz der Lösungen von Flexis über 20 Fahrzeugausfälle vermieden werden, was zu Einsparungen in Höhe von rund 5.000 Euro führte. Zudem hat die optimierte Flottenrotation dazu beigetragen, zusätzliche Leasingkosten um etwa 9.400 Euro zu reduzieren. Kunde B mit 20 E-Fahrzeugen an einem Standort konnte durch optimierte Betriebsprozesse den Energieverbrauch um 20 Prozent senken. Gleichzeitig wurde ein Rückstand bei Versicherungsmeldungen innerhalb von weniger als einer Woche vollständig aufgearbeitet. Dank schnellerer und zuverlässigerer Abläufe stieg zudem die Kundenzufriedenheit. Außerdem gelang es, 384 Stunden Ladezeitverluste an öffentlichen Schnellladern zu vermeiden, was laut Flexis Einsparungen von rund 26.850 Euro zur Folge hatte.

Flexis ist Entwickler und Eigentümer der neuen „Skateboard-Plattform“, die ein Höchstmaß an Modularität und Flexibilität für verschiedene Fahrzeugkonzepte bietet. Während die Renault Group darüber skalierbare Standardvarianten vertreibt, liefert Flexis damit maßgeschneiderte, werkseitig konfigurierte Fahrzeuge direkt an den Kunden. Durch den Besitz und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Plattform behält Flexis die Kontrolle über Design, Technologie und Skalierung seiner Fahrzeuge – unabhängig und zielgerichtet.

 

Der Panel Van: kompakter Kastenwagen

Zu den vielen Überraschungen zählen die Abmessungen des Panel Van, also des Kastenwagens. Wer hätte es gedacht, neue Autos können auch schrumpfen: Die Variante mit kurzem Radstand begnügt sich mit nur 4,87 Meter Länge, ist 21 Zentimeter kürzer als der aktuelle Renault Trafic – Vorteil E-Antrieb mit minimalem Überhang vorn. Dank 1,92 Meter Karosseriebreite ist der Transporter sympathisch schlank und drahtig, mit 1,90 Meter Höhe flach. Die Ausführung mit langem Radstand – 3,55 statt 3,15 Meter – streckt sich auf 5,27 Meter. Das Ladevolumen beläuft sich auf 5,1 und 5,8 Kubikmeter. Die Ladekante liegt trotz Heckantrieb lediglich 510 Millimeter über Grund. Ein Hochdach ist nicht vorgesehen. Bereits beim kurzen Radstand passt die Palette mühelos längs durch die Schiebetür, da tun sich Wettbewerber schwer.

 

Flexis

Panel Van: drahtig, flach beweglich.

Der Box Van: Koffer mit Varianten, Kipper, Fahrgestell und Doka für Aufbauer

Der Box Van, der Kofferaufbau, basiert auf der Fahrgestellvariante des Panel Van. Flexis startet den Kofferträger in zwei Varianten ab Werk. Da wäre die hier gezeigte Ausführung als Hochlader mit Ladekante von rund 800 Millimetern ohne störende Radkästen im Frachtabteil. Unten rundum robust verkleidet, die Aerodynamik, wir ahnen es. Alternativ gibt es einen Tieflader mit 550 Millimeter niedriger Ladekante. Beladefreundlich, doch ragen Radkästen in den Aufbau. Radstände, Längen sowie Breite des Box Van entsprechen, das ist ungewöhnlich, exakt dem Panel Van. Für den Zugang zum Koffer mit seinen zehn bis 17 Kubikmeter Volumen gibt es zahlreichen Türvarianten.

Für individuelle Lösungen hat Flexis ein Fahrgestell mit Fahrerhaus entwickelt. Und ab Werk folgt sogar ein Kipper. Vielleicht auch mehr, denn Flexis kann auch Kleinserie. Alles andere ist ein Fall für Auf- und Ausbauer. Die Fahrgestell-Tragfähigkeit beträgt bis zu 1,5 Tonnen.

Der Step-in-Van: der hochspezialisierte Päckchenverteiler ab Werk

Völlig aus dem Rahmen fällt der Step-in-Van. Er ist konsequent als KEP-Modell für den Zustellverkehr ausgelegt. Das traut sich ab Werk kein anderer klassischer Transporterhersteller. Auch hier tauchen die identischen Grunddaten in Länge und Breite auf, jedoch verwendet Flexis ausschließlich den langen Radstand. Der Step-in-Van ist mit 2,6 Metern hoch aufgeschossen, das verleiht ihm gewöhnungsbedürftige Proportionen und führt zu einem veränderten Design der Front. Zwar entsprechen die Stoßfänger den anderen Modellen, doch Leuchten und Frontplatte sowie eine hohe und steiler gestellte Windschutzscheibe verändern das Antlitz.

Schiebetüren links wie rechts führen ins Cockpit, unauffällig und elegant geführt von verdeckten Schienen. Auffällig sind dagegen gut geschützte Schweller und hintere Ecken, in der Praxis häufig malträtierte Weichteile der Karosserie. Auf der Bordsteinseite ergänzt eine besonders breite Trittstufe den Eingang, das bedeutet mehr Sicherheit beim häufigen Rein und Raus. Auf automatisches Öffnen und Schließen verzichtet Flexis. Die massiven Türgriffe sind indes senkrecht montiert, so klappt laut Flexis das Verriegeln mit dem Ellenbogen, falls die Arme voller Päckchen sind. Ein Rolltor im Heck dient in erster Linie dem Beladen im Depot, spart aber auch Platz beim Parken. Seine Lamellen bilden beim Öffnen kein Paket, sie gleiten vielmehr platzsparend an der Decke entlang. Auf eine seitliche Schiebetür zum Laderaum verzichtet der Step-in-Van, das vergrößert die Wand- und somit Regalfläche. Der Flexis bietet somit mehr Regalmeter als größere Modelle mit einem vergleichbaren Volumen von 9,2 Kubikmetern.

Das Design: schlank und aerodynamisch durchgestaltet

Nehmen wir den Panel Van, auffallend schlank und drahtig gebaut. Windschutzscheibe und Fronthaube haben den gleichen schrägen Winkel, es gibt seitlich anschließend an die A-Säule ein großes Van-Fenster. Ein wenig Renault-Ur-Espace schimmert bei diesem One-Box-Design durch und die zurzeit beliebte Visier-Optik wird deutlich. Hinzu kommt eine auffallende Lichtsignatur vor allem der Frontpartie

Die Karosserie ist hinten seitlich eingezogen, das Dach zum Heck abgeschrägt mit Abrisskante. Und unten geschützt. Dieser Transporter zeigt Figur, einschließlich der weich ausgeprägten Radläufe. Alles sieht nach Feinschliff im Windkanal aus, ähnlich dem großen Bruder von Renault, dem Master. Ein Muss für zeitgemäße E-Transporter: Geringer Luftwiderstand heißt weniger Energieverbrauch und größere Reichweite. Das Auge findet Details, vorn zum Beispiel die hochgesetzten Tagfahrleuchten, verbunden mit einer illuminierten Spange und dem Renault-Rhombus. Oder das von Ecksäulen und dem Dachabschluss eingerahmte Heck.

Das sieht beim Step-in-Van ganz anders aus. Er ist konsequent als KEP-Modell für den Zustellverkehr ausgelegt. Das traut sich ab Werk kein anderer klassischer Transporterhersteller. Auch hier tauchen die identischen Grunddaten in Länge und Breite auf, jedoch verwendet Flexis ausschließlich den langen Radstand. Der Transporter ist mit 2,6 Metern hoch aufgeschossen, das verleiht ihm gewöhnungsbedürftige Proportionen.

Das Cockpit: fahrerorientiert

Verwandt mit dem größeren Renault Master ist die fahrerbetonte Grundstruktur des Flexis-Cockpits mit seinem üppigen quadratischen Touchscreen im Format von zehn und sogar zwölf Zoll in der Mitte. Das Lenkrad trägt richtige Tasten, die digitalen Armaturen sind bunt, aber auf den ersten Blick trotzdem recht übersichtlich. Drumherum reihen sich jede Menge Ablagen auf, beginnend mit einer mehrfach geteilten Wanne hinter der Armaturenabdeckung.

Der Fahrerplatz im Step-in-Van ist auf einem 200 Millimeter hohen Podest angesiedelt, rechterhand ergänzt durch einen Klappsitz. Drückt der Steuermann eine gelbe Taste in der Mittelkonsole, den Delivery Button, wird die Feststellbremse aktiviert, springt die Warnblinkanlage an und die Schiebetür zum 9,2 Kubikmeter großen Frachtabteil öffnet sich und die Beleuchtung im Fond springt an. Dort beläuft sich die Stehhöhe auf 1,9 Meter. Zusätzlich geht der Transporter in einen Standby-Modus – das verhindert unnötigen Energieverbrauch (z. B. Kühlung) und schont die Reichweite. Die Fahrertür verriegelt und die Zwischentür schließt wieder. Sensoren erfassen die Umgebung für ein sicheres Aussteigen. Flexis verspricht damit eine Zeitersparnis von bis zu einer Stunde Zeit pro Tag.

Der Start: neue Modelle aus einem vorhandenen Werk, los geht’s zum Jahresende

Seit Anfang April wurden 320 neue Roboter im Renault-Werk Sandouville installiert, in dem die Fahrzeuge hergestellt werden. Dort wird bisher die Familie des bisherigen Renault Trafic gefertigt, deren Verbrenner-Ausführungen noch weiter produziert werden. Dank der Nutzung des Werks kann das Joint Venture schneller in die Fertigungsphase eintreten als Neueinsteiger in die Branche und muss nicht in eine eigene Produktionsstätte investieren. Der Serienstart der ersten Modelle auf Basis der in Zusammenarbeit mit der Renault-Tochter Ampere entwickelten SDV-Plattform wird noch vor Jahresende in Sandouville erwartet. Los geht’s dann mit dem Panel Van., Nach dem Anlauf hat sich Flexis eine Kapazität von 90 000 Einheiten im Jahr gesichert.

Potenzielle Kunden aus der Branche haben bereits positiv auf das Angebot reagiert – das Unternehmen hat vierzehn Absichtserklärungen mit europäischen Logistikunternehmen unterzeichnet, darunter DB Schenker in Deutschland, Hived und Globaltyre in Großbritannien sowie ColisPrivé in Frankreich. Das zeigt auch die Richtung des Vertriebs: Renault kümmert sich mit seinen zahlreichen Stützpunkten schwerpunktmäßig um Einzelkunden und kleinere Betriebe, Renault Trucks hat Lkw-Betreiber im Blick, Flexis will sich auf Flotten konzentrieren.

Mehr über Renault und Flexis gibt es hier:
Renault, Volvo, CMA CGM: Startschuss für E-Lieferwagen Flexis
Experten-Vorstellung: Alles über Renault Trafic E-Tech und Co.

 

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