Renault, Volvo, CMA CGM: Startschuss für E-Lieferwagen Flexis
Renault, Volvo und CMA CGM: Startschuss für E-Lieferwagen Flexis. Elektrisch angetrieben, modulare Plattform, 2026 geht’s los.
Es ist ein Tag der großen Worte. Mit Renault-Chef Luca de Meo, Martin Lundstedt als Chef der Volvo Group und Rodolphe Saadé, dem Spitzenmanager des französischen Logistikriesen stehen drei Bosse auf der Bühne. Ihr gemeinsames Projekt heißt Flexis. Der Anlass: Renault braucht neue Transporter, Volvo will unterhalb seiner Trucks das Angebot komplettieren, Logistik-Dienstleister CMA CGM benötigt günstige und hochspezialisierte E-Lieferwagen. Flexis ist der gemeinsame Nenner. Ein Lieferwagen für die berühmte letzte Meile, leise, vor Ort abgasfrei und günstig in seinen Kosten über den Lebenszyklus. „Covid“, so Lundstedt, „hat gezeigt, wir können nicht ohne professionelle Logistik sein.“
Flexis gilt dem Trio als wichtiger Schritt dahin. Flexis ist zunächst ein Unternehmen, in das Renault und Volvo jeweils 300 Millionen Euro stecken und CMA CGM über ein Tochterunternehmen 120 Millionen. Man darf davon ausgehen, dass auch Nissan mitspielen wird. Eng mit Renault verflochten, übernimmt die Marke gerne die Transporter der Kollegen unter eigenem Namen ins Programm.
800-Volt-Technologie, zwei Batteriegrößen, große Flexibilität für Aufbauten
Luca de Meo umreißt kurz die Fähigkeiten des gemeinsamen Babys: als Zustellfahrzeug gestaltet für die letzte Meile, Größe etwa wie ein Kangoo Rapid, Laderaum wie ein Trafic und große Wendigkeit. Krishnan Sundararajan, COO und Philippe Divry als Spitzenmanager von Flexis ergänzen um weitere Hinweise: 800-Volt-Technologie für schnelles Laden, zwei Batteriegrößen, die flüsterleise Fahrt sowie einen ebenen Boden, die klassenbeste Ladekante und den ebenfalls klassenbesten Wendekreis. Schließlich Fahrerorientierung, denn die Fluktuation bei Zustelldiensten ist enorm.
Außerdem bietet der E-Lieferwagen Flexis die Möglichkeit unterschiedlicher Aufbauten und verschiedener Konfigurationen für die technische Plattform, ein sogenanntes Skateboard. Martin Lundstedt spricht nennt es „eine grüne und umweltfreundliche Plattform“. Auf jeden Fall reicht die Performance von Flexis über Zustellfahrzeuge hinaus. Technische Details halten die Manager noch unter Verschluss.
Aber wer die Schattenrisse des Flexis betrachtet, dem fällt unweigerlich EZ-Flex ein. Renault hatte das seinerzeit revolutionäre Zustellfahrzeug im Jahr 2019 vorgestellt. Rund vier Meter lang und 1,65 Meter breit. Mit drei Kubikmeter Laderaum, aber einer üppigen Ladehöhe von 76 Zentimetern. Und einem Cockpit für das schnelle Rein und Raus der Zusteller. Das geht heute, nur fünf Jahre später, besser und ganz anders.
Drei Partner mit unterschiedlichen Stärken
Über EZ-Flex ist die Zeit schnell hinweggegangen. Luca de Meo, seit 2020 an der Spitze von Renault, sagt es offen: „Vor drei, vier Jahren hatten wir nicht das Geld für so ein Projekt. Aber wir hatten die Idee.“ Bei seinem Antritt war er offensichtlich trotzdem von der Innovationsfähigkeit der Transporterleute enttäuscht: „Sie haben seit 50 Jahren dasselbe gemacht.“ Jetzt dreht sich der Wind: „Es ist ein revolutionäres Projekt. Wir haben uns neu erfunden.“ Das gilt ebenfalls für seine Kompagnons. Vorteil: „Wir teilen das Risiko.“
Und die Stärken. Renault kann Transporter. Volvo kann Service und digitale Vernetzung. CMA CGM kann Logistik. Das bietet die Chance, voneinander zu lernen. Luca de Meo führt ein Beispiel an: 30 Sekunden bei einem einzigen Liefervorgang gespart, bedeute ein Prozent mehr Profitabilität. Und auf jene kommt es dem Trio an. Zwar räumt de Meo ein, dass der Flexis mehr kosten wird als ein klassisches Verbrenner-Zustellfahrzeug. Aber er spricht optimistisch von 30 Prozent niedrigeren Kosten über den Lebenszyklus. Das dürfte den Reiz für CMA CGM ausmachen. Es ist schließlich nicht üblich, dass sich ein Logistiker in dieser Weise engagiert.
Flexis: das erste softwaredefinierte Fahrzeug von Renault
Wie die Kostensenkung funktioniert? „Flexis“, so Luca de Meo, “ist etwas, das es noch nicht gibt.“ Zum Beispiel das erste softwaredefinierte Fahrzeug von Renault. Das bedeutet vergröbert: Der E-Lieferwagen Flexis ist eine Hülle auf Rädern. Entscheidend sind neben deren Grundfunktionen Vernetzung, Automatisierung und Personalisierung. Mehr und neue Services, Updates in kurzen Abständen. Auch Flexis soll eine offene Technologieplattform bieten. Ein wichtiger Punkt gerade auch für Logistiker wie Rodolphe Saadé mit CMA CGM. Klar ist deshalb: Bei Flexis fahren auch die bekannten IT-Riesen mit, es geht nicht ohne Google und Microsoft.
Martin Lundstedt bringt den Mut zum ungewöhnlichen Konzept Flexis ganz simpel auf den Punkt: „Stillstand ist Rückschritt.“ Für Rodolphe Saadé ist Flexis „ein Flaggschiff“. Und Luca de Meo holt noch einmal groß aus: „Es ist einer der Wege, Europa wieder nach vorne zu bringen.“ In zwei Jahren weiß man, genau, wie er aussieht und wohin er führen soll. Dann beginnt die Fertigung von Flexis im Transporterwerk Sandouville von Renault, der Heimat der Transporter-Klassikers Trafic.
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