Experten-Test: neuer Ford Transit Custom
Ping, ping, ping – wer erinnert sich da nicht an das nervtötende Sonargeräusch aus dem legendären Film „Das Boot“. Oder an den Hinweis des U-Boot-Kommandanten: „Jetzt wird’s psychologisch meine Herren.“ Ähnlich im neuen Ford Transit Custom. Eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung? Ping. Eine noch so geringe Übertretung? Ping, ping, ping. Da wird’s dann ganz schön psychologisch an Bord.
Also Perspektivwechsel zu handfesten Themen, zum Laderaum. Weit schwingen die Heckflügeltüren auf. Waren deren Aufsteller beim Vorgänger schon einfach zu bedienen, so sind sie im neuen Ford Transit Custom komplett entfallen. Die linke Hecktür öffnet nun auf Tastendruck in halber Höhe, einfacher geht’s nicht. Die Ladeluken, auch an der Seite, haben bis auf ein paar Millimeter hin oder her die Durchgangsmaße vom Vorgänger. Gleiches gilt für den üppigen Abstand zwischen den Radkästen. Vier LED-Lampen setzen das Innere unter Flutlicht. Auf Tastendruck erhellen hinten zwei weitere Scheinwerfer das Vorfeld.
Während der Transporter im Rahmen des Modellwechsels insgesamt etwas in die Länge gewachsen ist und nun knapp die Fünfmetermarke übertrifft, schrumpfte das Frachtabteil ein wenig. Geschuldet ist’s dem längeren Vorbau mit Maschinenraum und Fahrerhaus. Macht 5,8 statt 5,9 Kubikmeter Volumen, geschenkt. Zumal mit der Katzenklappe unten in der Trennwand ein halber Meter Länge in der Sitztruhe hinzukommt. Und wie gehabt passen drei Paletten quer ins Frachtabteil.
Leer steht der neue Ford Transit Custom für einen Fronttriebler mit rund 600 Millimeter Ladehöhe hinten recht hoch. Liegt’s an der neuen Hinterachse mit Schraubenfedern? Jedenfalls geht der Ford unter Volllast zwar in die Knie, hängt aber nicht durch. Aufräumen könnte Ford die offen geführten Kabel im Frachtraum. Und geblieben ist der bei Nässe unangenehm rutschige Kunststoffboden. Beachtlich: Das Leergewicht ist trotz Wachstum weiterhin niedrig. 1,9 Tonnen vollgetankt ergeben rund 1,3 Tonnen für Fahrer und Fracht – Respekt.
Weiter vorn wartet der Ford Transit Custom mit einem komplett neu eingerichteten Cockpit auf. Ohne besonders üppig zu wirken, hat der Transporter hier in jede Richtung den einen oder anderen Zentimeter Platz gewonnen. Auffallend ist der weite Fußraum, er profitiert vom längeren Radstand. Der Fahrersitz wirkt zunächst angenehm gepolstert. Auf langen Strecken jedoch spüren kräftig gebaute Wagenlenker Druck von der Sitzfläche und im Schulterbereich der Lehne. Beifahrer nehmen wie bisher auf einem Doppelsitz mit Einzelsitzausformung Platz. Die Besatzung bringt ihre Siebensachen gut unter, mal abgesehen von wenig offenen Ablagen für Kleinkram. Ein Geniestreich ist Ford mit der Verlagerung des Beifahrer-Airbags ins Dach gelungen: Damit wird in der Armaturentafel ein tiefes geschlossenes Fach frei, das auch den größten Laptop schluckt. Dazu die Rückenlehne des mittleren Sitzes als Arbeitstisch und das flachgestellte Lenkrad mit Einlage als Tisch für die Brotzeit – das ist Leben im Ford. Eher unpraktisch sind dagegen die schwer zu reinigenden tiefen Längsrillen der Gummimatten.
Die Raumausstatter haben das Innenleben der Kabine für einen Kastenwagen freundlich gestaltet und mit angenehmen Materialien ausgekleidet. Indes wirkt die Armaturentafel mit der Abstufung der beiden Monitore etwas unharmonisch. Gewöhnung verlangen auch der hochgesetzte Startknopf, das fast schon quadratische Lenkrad – es liegt aber gut zur Hand – und die nicht ganz einfach zu durchschauenden Reaktionen der elektronischen Feststellbremse. Nach dem Start fällt der Blick auf verspielte digitale Instrumente. Die Säulengrafiken von Tankanzeige und Kühlmittelthermometer sind mäßig ablesbar, der Drehzahlmesser als dritte Säule ist nahezu untauglich.
Das aber spielt unterwegs nur eine Nebenrolle, denn dann legt sich der Ford Transit Custom mächtig ins Zeug. Im Vergleich zum Vorgänger ist er gut zehn Prozent kürzer übersetzt. Das hilft beim Anfahren an Steigungen beladen oder gar mit Anhänger. Also gibt Ford nun ein deutlich höheres zulässiges Gesamtzuggewicht frei – vollausgeladener Transporter plus beladener Anhänger, das kann und darf nicht jeder. Auch zeigt der Ford eine ganz neue Dynamik auf Land- und Bundesstraßen. Er verhungert nicht mehr an Steigungen, verlangt nach viel weniger Schaltungen des knackigen Sechsganggetriebes. Prompt erreichte der Testwagen mit seinen 110 kW (150 PS) in den Elastizitätsprüfungen mindestens die Werte des Vorgängers mit 125 kW (170 PS). Wer einen Blick in den Maschinenraum werfen will: Zweimal ziehen am Entriegelungshebel im Cockpit genügt, fummeliges Herumtasten unter der Motorhaube entfällt, gut gemacht.
Der Zweiliter arbeitet nach dem Kaltstart sehr präsent, untermalt ebenso später akustisch seine Leistungsfähigkeit. Auch verläuft die Leistungsabgabe etwas unharmonisch: Bei sehr niedrigen Drehzahlen plumpst das Aggregat in ein tiefes Turboloch, bei hohen Tourenzahlen – der Vierzylinder erreicht rund 5000/min – wirkt es zugeschnürt. Sein Wohlfühlklima liegt zwischen dem maximalen Drehmoment bei 1500 Umdrehungen und der Nenndrehzahl von 3500 Touren. Dies passt bestens zur neuen knapperen Übersetzung. Während sie eindeutig der Fahrbarkeit dient, leidet darunter ein wenig der Verbrauch. Er belief sich auf der anspruchsvollen Hausstrecke beladen auf 8,6 Liter/100 km. Zusätzlich genehmigte sich der Ford einen ordentlichen Schluck Adblue, Merkmal einer wirksamen Abgasreinigung. Die kühle Witterung während des Tests, eine teils nasse Fahrbahn und Winterbereifung werden ihren Anteil am Verbrauch beigetragen haben. Das Wetter machte auch einen Schwachpunkt des Transit Custom deutlich: Die Heizung benötigt sehr lange zur Erwärmung des überschaubaren Fahrerhauses. Abhilfe? Ford koppelt einen elektrischen Zuheizer mit der Zweizonen-Klimaautomatik, bei sachlich ausgestatteten Kastenwagen eher rar. Also Mütze auf und Jacke an. Die Bedienung der Klimatisierung erfolgt über den berührungsempfindlichen Monitor. Drehregler wären einfacher, aber es gibt Direktwahltasten, das funktioniert.
Warm ums Herz wird dem Steuermann des Ford Transit Custom auf andere Weise. Das neue Fahrwerk mit schraubengefederter Schräglenker-Hinterachse ist eine Wucht. Stakste der blattgefederte Vorgänger über Unebenheiten, so filtert sie der Neue leer wie beladen souverän weg, trotz der großen Differenz zwischen Leergewicht und beladener Fuhre. Hinzu kommen hohe Fahrsicherheit und eine ausgezeichnete Lenkung, präzise und genau mit dem richtigen Maß an Unterstützung. Dass der Wendekreis wegen des längeren Radstands um einen halben Meter gewachsen ist, nun ja. Für Notfälle aller Art stehen serienmäßig sowie auf Wunsch eine Fülle von Assistenzsystemen bereit. Darunter wertvolle Dinge wie ein Querverkehrswarner bei Rückwärtsfahrt, hilfreich speziell bei Kastenwagen. Und wer sich in die Eingeweide der Regelungen arbeitet, der entdeckt sogar eine einstellbare Unterstützung des anderswo auf Landstraßen so nervigen aktiven Spurassistenten.
Bleibt das Ping und das Ping, Ping, Ping – nun ja, fühlen wir uns im Ford Transit Custom ein wenig wie ein U-Boot-Kapitän.
Abmessungen (L/B/H): 5.050/2.032/1.982 mm
Radstand: 3.100 mm
Wendekreis: 12.800 m
Laderaum (L/B/H): 2.394-3.050/1.777/1.427 mm
Breite zw. Radkästen: 1,392 mm
Ladekapazität: 5,8 m³
Leergewicht Testwagen: 1.900 kg
Nutzlast: 1.325 kg
Zul. Gesamtgewicht 3.225 kg
Anhängelast bei 12 % Steigung 2.500 kg
Zul. Zuggesamtgewicht 5.725 kg
Motor: Turbodiesel
Hubraum: 1.996 cm³
Leistung: 110 kW/150 PS
Drehmoment: 360 Nm
Getriebe: Sechsgang-Schaltgetriebe
Antrieb: auf die Vorderachse
Beschleunigung: 0 – 50/100 km/h 4,8/12,8 s
Elastizität:
60 – 80 km/h IV/V 3,4/5,1 s
60 – 100 km/h IV/V 7,1/10,2 s
80 – 120 km/h VI 15,8 s
Höchstgeschwindigkeit 175 km/h
Innengeräusche:
Stand/50/80/100 km/h 54/59/65/69 db(A)
Höchstgeschwindigkeit 75 dB(A)
Verbrauch WLTP: 7,4 L/100 km
CO2-Emissionen: 196,1 g/km
Teststrecke beladen: 8,6 L/100 km
Testverbrauch beladen: min./max. 7,3/13,5 L/100 km
Testverbrauch Adblue: 0,57 L/100 km
Preis (exkl. MwSt.): ab 41.200 Euro









