Schon gefahren: der neue Ford Transit Custom

Experten-Probefahrt: neuer Ford Transit Custom

von | 1. November 2023

Ford und VW machen bei Transportern gemeinsame Sache – profitiert davon der neue Ford Transit Custom? Die Van-Experten haben den Transporter schon gründlich unter die Lupe genommen. Ist er tatsächlich sakrisch guat?
Randolf Unruh

Ist der neue Transit Custom tatsächlich sakrisch guat? Die Van-Experten haben es herausgefunden.

Der erste Rundgang: Äußerlich ist der neue Ford Transit Custom ein echter Ford, mehr Evolution als Revolution. Das Gesicht mit bulligem Grill und Scheinwerferschlitzen schaut energisch in die Transporterwelt. Die Linienführung ist schnittig, mit keilförmiger Gürtellinie wie eh und je. Ein echter Ford, keine Spur zu entdecken vom Kooperationspartner VW der seinen Transporter-Nachfolger auf gleicher Grundlage entwickelt. Kein Wunder, die Designer durften wechselweise keinen Blick auf die Arbeit der jeweiligen Kollegen werfen.

Randolf Unruh

Der Transit Custom tritt optisch in die Fußstapfen seines Vorgängers. Beachtlich ist der Radstand schon in der kurzen Ausführung.

Start ohne Schlüssel, eigenwillige Instrumente

Die Türen tragen handfeste Griffe für ebenso handfeste Fahrer. Im Cockpit des neuen Transit Custom gibt es mehr Platz als beim Vorgänger. Die Radkästen sind geschrumpft, der Durchgang ist dank elektronischer Feststellbremse frei. Der Schlüssel bleibt in der Hosentasche, ein Tastendruck hoch oben in der Instrumententafel weckt sowohl die Maschine als auch die Instrumente. Sie sind komplett digitalisiert, offensichtlich konnten sich die Designer an dieser Stell ungebremst austoben. Neben dem Digitaltacho recken sich als Säulen Kühlwasserthermometer, Tankanzeige und vor allem der fast ungenießbare Drehzahlmesser. Ablesbarkeit? Nun ja.
In der Mitte dockt ein weiterer üppiger Monitor im Format 12,9 Zoll an. Für die Navigation und diverse Einstellungen ebenso diverser Assistenzsysteme. Unten im Monitor sind die Bedienungselemente der Klimatisierung mit Tastenfeld und Signets im Monitor angesiedelt. Das sieht nach VW aus, ist aber längst nicht so verschwurbelt und zusammen mit den Direktwahltasten bereits bekannt aus dem Ford E-Transit.

Das Lenkrad des Transit Custom wird zum Pizzateller

Gewöhnungsbedürftig ist das fast viereckige Lenkrad, es liegt aber verblüffend gut in der Hand. Das Steuer trägt praktische Tasten anstelle der heute so beliebten verspielten Touchflächen. Es lässt sich flachlegen und mit einer Abdeckung versehen. Ein Pizzateller für die Brotzeit, eine Unterlage für den Laptop. Er steckt unterwegs auf der Beifahrerseite in einem sehr tiefen und geschlossenen Abteil oberhalb des Handschuhfachs. Dort verbirgt sich bei anderen Transportern ein Airbag, Ford hat ihn beim Transit Custom nach oben in die Dachverkleidung verlegt. Rundum gibt es jede Menge weitere Ablagen, von den zweistöckigen Türfächern über die offene Ablage oben auf dem Instrumententräger bis zur großen Truhe in der Beifahrer-Doppelsitzbank. Weiterer Kniff: Wer einen Blick in den Maschinenraum werfen will, zieht zum Entriegeln zwei Mal am Hebel links im Fußraum, das lästige Fingerhakeln unter der Motorhaube entfällt.

Randolf Unruh

Das eigenwillig geformte Lenkrad trägt handfeste Tasten statt verspielter Touchflächen.

Kräftiger Diesel und ein feines Fahrwerk

Der Motor des neuen Transit Custom versteckt sich unter allerhand Kunststoff, jedoch ist er nach dem Anlassen deutlich vernehmbar. Beim Anfahren des bekannten Zwei-Liter-Diesels aus dem Ford-Fundus fallen typische Transit-Merkmale auf: Nach einer spürbaren Anfahrschwäche setzt das wuchtige Drehmoment ein. Hier sind es 360 Nm der Variante mit 110 kW (150 PS) Leistung. Auch Drehfreude zählt nicht zu den Stärken des Zweiliter-Vierzylinders, seine Stärken liegen bei mittleren Tourenzahlen. Ein Sechsgang-Schaltgetriebe portioniert die Kraft. Es ist gekennzeichnet von kurzen Wegen und einer gewissen Knochigkeit. Im Unterschied zu früher verzichtet Ford auf eine ellenlange Übersetzung. Bei Tempo 100 dreht der Diesel praxisgerecht rund 2000 Touren im höchsten Gang und legt beim Tritt aufs Gas flott zu. Auch unterwegs macht sich der Diesel bemerkbar, durch leichte Dröhn- und deutliche Windgeräusche. Ein typischer, etwas raubauziger Transit eben, der auf die letzte Feinheit in der Abstimmung verzichtet.
Anders beim Fahrwerk. Es profitiert von einer schraubengefederten Schräglenker-Hinterachse. Bisher teilte sich der Transit Custom mit seinem großen Bruder eine schlichte blattgefederte Starrachse. Die aufwendige Hinterachse – sind an dieser Stelle VW-Gene zu spüren? – tut dem Transist Custom spürbar gut. Beladen mit knapp einer halben Tonne federt der Testwagen während der ersten ausgiebigen Probefahrt verbindlich, vermeidet jede Härte und entpuppt sich als kurvenfest. Die Lenkung arbeitet präzise und nicht zu leichtgängig. Fahrwerke können sie bei Ford eben richtig gut.

Hecktüren mit Ladetrick

Und die Entwickler des Transit Custom verstehen was von Laderäumen. Der zweite Flügel der Hecktür öffnet ohne Hebelei auf Tastendruck. Die bekannten gelben Feststellbügel für die 90-Grad-Öffnung sind entfallen und können beim Beladen nicht mehr stören. Die seitliche Schiebetür gibt wie gehabt eine Ladeluke von knapp mehr als einem Meter frei, ist nun aber auch hinten kerzengerade, dank des deutlich um 170 auf 3100 Millimeter gewachsenen Radstands. Prima: Die Ausbuchtung der Trennwand zum Fahrerhaus ragt im oberen Bereich nur wenige Millimeter hinein. Also nichts wie ran mit Stapler und beladenen Paletten. Laut Ford hat der Transporter im Rahmen des Modellwechsels trotz erheblich steiferer Karosserie rund 100 Kilogramm abgenommen. Ein Kniff dabei ist die Reduzierung des Kraftstofftanks auf 55 Liter, auf Wunsch gluckern aber 70 Liter im Tank.

Die Diät des Transporters ergibt bei maximal 3,2 Tonnen zulässiger Gesamtmasse bis zu 1,25 Tonnen Nutzlast, Respekt. Und falls dies nicht genug ist, zieht der Ford bis zu 2,5 Tonnen schwere Anhänger. Zwar streckt er sich nun bereits in der Kurzausgabe auf 5,05 Meter Länge (Vorgänger 4,97 Meter), doch die Höhe bleibt haarscharf unter dem Garagenmaß von zwei Metern. Das Frachtabteil ähnelt mit 2,4 Meter Ladelänge und 5,8 Kubikmeter Volumen dem Vorgänger.

Randolf Unruh

Ähnelt dem Vorgänger: Ladevolumen und -länge sehr ähnlich, jedoch besserer Zugang.

Zahlreiche Varianten, Transit Custom Multicab mit L-förmigem Laderaum

Nicht genug? Zur Kurzausgabe gesellt sich der Kasten lang (5,45 Meter), auch mit Hochdach. Außerdem liefert Ford die Kastenwagen-Doka, den Kombi sowie den Bus namens Tourneo. Pfiffig ist das Zwittermodell Multicab mit seinem L-förmigen Laderaum: Abgetrennt durch eine Wand, erstreckt sich das Frachtabteil neben einer Zweierbank im Fond bis hinter den Fahrersitz. Ebenso variabel ist der Antrieb des Ford Transit Custom, drei Diesel mit 81 kW (110 PS), 100 kW (135 PS) und 110 kW (150) sowie Sechsgang-Schaltgetriebe. In Verbindung mit Achtgang-Wandlerautomatik legt Ford auf 100 kW (136 PS) und 125 kW (170 PS) zu. Den Frontantrieb gibt es erneut optional mit mechanischer Differenzialsperre, außerdem erstmals einen Allradantrieb – bei ihm hat VW die Hände im Spiel wie man hört.

Unter Strom: Ford E-Transit Custom, erstarkter Hybrid

Neuen Schwung bekommt der Transit Custom Plug-in-Hybrid (PHEV). An die Stelle des schmalbrüstigen Benziner-Dreizylinders mit nur einem Liter Hubraum tritt der Antrieb aus dem Ford Kuga mit 2,5 Litern, 165 kW (224 PS) und einer Batterie mit einer nutzbaren Kapazität von 11,8 kWh. Dieser Stromhaushalt fällt beim vollelektrischen Transit E-Custom mit 74 kWh naturgemäß weit größer aus. Er schnurrt mit 100 kW (136 PS) oder gar 160 kW (218 PS) los. Mit angetriebener Hinterachse wie beim großen E-Transit und einer Anhängelast von 2,3 Tonnen – für einen Stromer dieser Klasse enorm. Alle Antriebe sind original Ford, abgesehen vom 4×4. Die eine oder andere Variante erfordert zurzeit noch etwas Geduld, denn Ford ist vorgeprescht und setzt sich mit Bestell- und Auslieferungsstart vor seine Kollegen von VW. So ist das unter manchen guten Freunden, die sich Entwicklung und Fertigung teilen. Wie sagte Ford-Entwicklungsleiter Ali Hunt bei der Vorstellung des Transit Custom: „Das ist zu 100 Prozent ein Ford.“

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