Neuer Renault Master: Aerovan und Multi-Energy-Plattform

von | 28. November 2023

Der komplett neue Renault Master setzt unübersehbare Akzente bei den 3,5-Tonnern. Auch mit Elektroantrieb.
Renault

Komplett neuer Auftritt: Der Renault Master ist ein anderer Transporter geworden.

Auf deutschen Autobahnen kennt man ihn als sogenannten Polen-Sprinter. Das ist nicht abfällig gemeint, sondern im Gegenteil eine treffende Situationsbeschreibung: Ziehen doch fleißige Renault Master vorzugsweise mit Schlafkabine über dem Fahrerhaus und Pritsche/Plane mit ebenso fleißigen Lenkern unablässig als Kilometerfresser ihre Bahn. Das schafft nur, wer ein robustes Wesen mit Wirtschaftlichkeit verknüpft. Und der Neue? Der trägt zunächst die Nase hoch, markiert optisch den Truck. Und ist durchdacht, von der stumpfen und offensichtlich doch windschlüpfigen Frontpartie bis zur optionalen Steckdose zum Andocken von E-Werkzeugen im Heck.

Randolf Unruh

Der bullige Master trägt die Nase hoch. Typisch sind der geriffelte Grill, der Chromstreifen und LED-Scheinwerfer.

Von Grund auf neu, 100 Prozent Renault

Vor allem: „Der ist von Grund auf neu und 100 Prozent Renault“, betont Heinz-Jürgen Löw, Transporterchef von Renault. Und tritt damit energisch Gerüchten einer möglichen Verwandtschaft des Master mit dem Kooperationspartner vom Stern entgegen. Löw: „Im Master stecken keine Sprinter-Gene.“ In Eigenregie hat Renault seinen Großtransporter Master auf ein neues Niveau gehievt und sich dabei erheblich vom Vorgänger entfernt. Der wirkte immer etwas grob behauen, gar ungeschlacht und ohne Raffinesse. Der neue 3,5-Tonner ist ganz anders, das beginnt mit einer aerodynamisch verbesserten Form und hört bei einem sorgfältig gestalteten Cockpit sowie einem komplett neuen E-Antriebsstrang noch lange nicht auf.

Renault spricht gar von einem Aerovan. Nennt zwar keinen Luftwiderstandsbeiwert, schlägt aber mit dem Hinweis auf 1,5 Liter weniger Verbrauch pro 100 Kilometer für die Diesel und 20 Prozent weniger Stromkonsum für den elektrischen Master erste Pflöcke ein. Nun wäre ein Transporter als schnittige Aerodynamik-Flunder absurd. Und mit seinem hohen Bug tritt der neue Master auf den ersten Blick nicht wie ein Luftikus auf. Aber die im Vergleich zum Vorgänger kürzere Haube, die schräger gestellte Windschutzscheibe, das dezent gewölbte Dach und hinten leicht eingezogene Wände sind probate Tricks. Löw spricht von einem Delfin. Blasen andere Transporter effektheischend die Backen auf, so trägt der neuen Master seitlich im Stoßfänger schlitzförmige Öffnungen wie Kiemen. Sie lenken den Fahrtwind. Da leistet sich der Master sogar den Auftritt zum Scheibenputzen, der anderswo aus Aerodynamik-Gründen verschwunden ist.

Fahrerbetontes und freundliches Cockpit

Auch der Blick ins viel freundlicher gestaltete Fahrerhaus des Master offenbart einen Kontrast zum eher düster-sachlichen Vorgänger. Der Platz ist üppig, auch im Fußraum. Die Armaturentafel schmiegt sich fast organisch um den Fahrer wie in keinem anderen Transporter, Renault spricht von einem Kokon. Als Folge sind sowohl der Blick auf den Monitor in der Mittelkonsole als auch dessen Erreichbarkeit vorbildlich. In Kauf nahmen die Innenarchitekten eine eingeschränkte Kniefreiheit vor dem mittleren Sitz. Der Blick fällt indes zunächst auf ein kompaktes Multifunktionslenkrad aus dem Pkw-Regal. Ausgestattet mit praktischen Tasten anstelle modischer und schlecht definierter Touchflächen. Die Instrumente sind bei den Verbrennern serienmäßig bestens ablesbar und klar gestaltet analog gehalten. Auf Wunsch und serienmäßig bei den E-Varianten gibt es digitale und konfigurierbare Uhren. Das Bordklima stellt der Fahrer unverändert rechter Hand mit praktischen Drehreglern und Tasten ein, anstelle der anderswo eingezogenen Toucherei.

Ragt der Schalthebel fürs Schaltgetriebe weiterhin aus der Mittelkonsole, so wanderte der Wählhebel zur Bedienung der Fahrtrichtung der E-Variante an die Lenksäule. Hier ist’s nun mit drei Elementen für Fahrtrichtung, Scheibenwischer und dem markentypischen Bediensatelliten für die Audio-Anlage recht voll. Ob dies stört, wird der Fahrbericht zeigen. Dabei wird sich ebenfalls die Funktion der Assistenzsysteme überprüfen lassen. Bis zu 20 Helfer bringt der Master mit. Und verbunden mit der großen weiten Welt ist er ebenfalls. Er ist wie alle modernen Transporter immer online. Erhält Unterstützung von Google einschließlich Mailverkehr über den Monitor und akzeptiert Updates Over-The-Air (OTA).

Renault

Das Cockpit schmiegt sich an den Fahrer. Lenkrad mit Tasten, Klimatisierung per Drehregler.

Neuer Dieselmotor, komplett neuer Elektroantrieb

Renault bezeichnet den Master ebenfalls als Multi-Energy-Plattform. Da wären die Dieselmotoren. Vorbei ist die Zeit der kernig-rauen 2,3-Liter-Maschine. Jetzt kommt der Zweiliter aus dem kleineren Trafic zum Einsatz. Renault hat mit diesem Schritt gleichzeitig seine bisher etwas unübersichtlichen Leistungsvarianten neu gestaffelt. Das Quartett leistet wahlweise 77 kW (105 PS), 96 kW (130 PS), 110 kW (150 PS) oder 125 kW (170 PS). Erneut gibt es je nach Format Front- und Heckantrieb. Alternativ zum Sechsgang-Schaltgetriebe kommt für die beiden oberen Leistungsstufen eine Neungang-Wandlerautomatik von ZF zum Einsatz. Sie ersetzt das zähe automatisierte Getriebe und hat sich längst branchenweit im Sprinter und dem bisherigen Ducato bewährt.

Komplett erneuert hat Renault den Antrieb des batterie-elektrischen Master E-Tech Electric. Bisher waren sowohl die Batterie als auch die E-Maschine arg schwach auf der Brust. Jetzt stehen zwei Batterievarianten mit netto 40 und 87 kWh bereit. Der größere Akku ist ein Trumm von einer halben Tonne. Die Batterien flößen ihren Saft E-Motoren mit wahlweise 96 oder 105 kW ein, beide mit einer Durchzugskraft von 300 Nm. Angesichts der jüngst erstarkten Wettbewerber reißt der Master damit nicht unbedingt Bäume aus, bekommt aber Anschluss. Zumal nun der Faktor Aerodynamik zum Tragen kommt: Für den Master mit dem größeren Akku nennt Renault einen WLTP-Stromverbrauch von 21 kWh. Das wäre ein Ding in seiner Gewichtsklasse. Geladen wird vorne rechts mit 11 oder 22 kW an der Wallbox und maximal 130 kW an der Schnellladesäule. Wer will, kann über eine Steckdose im Heck optional Geräte mit maximal 3,5 kW betreiben. E-Modelle erhalten Unterstützung mit Vorklimatisierung, Ladeplanung und Verfolgung des Ladevorgangs.

Erneut zahlreiche Varianten, Ableger für Renault Trucks

Der Begriff „Laden“ aber hat bei einem Transporter von Haus aus eine ganz andere Dimension. Drei Längen und zwei Höhen, Kastenwagen, Kasten-Doka, Fahrgestelle mit Leiterrahmen und als Plattform addieren sich beim Master zu rund 40 Karosserievarianten. Für den Kastenwagen nennt Renault Volumen von elf bis zu erstaunlichen 22 Kubikmetern. Die Marke kündigt mehr Ladelänge (plus 100 Millimeter) und Nutzlast an. Auch die Schiebetür wächst um 40 Millimeter in die Breite. Weil Renault den Radstand verkürzt und eine neue Vorderachse verwendet, schrumpft gleichzeitig der bisher üppige Wendekreis.

Für die einen ist der Master ein Großer, für die anderen eher ein Kleiner: Die Kollegen von Renault Trucks nehmen den Master ebenfalls wieder ins Programm. Die Unterschiede beschränken sich auf Marginalien im Design: Ziert den original Renault Master ein feiner Chromstreifen im Kühlergrill, so ist’s beim Renault Trucks Master eine schmucke rote Linie. Passend dazu gibt’s bei den Trucks zur Einführung eine „Red Edition“ mit entsprechendem Zierrat.

Renault

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Der Brennstoffzellenantrieb folgt 2025

Mit dem ersten Aufschlag zum kommenden Frühjahr 2024 ist noch lange nicht Schluss: 2025 folgt als dritte Antriebsvariante der Master mit Brennstoffzellenantrieb und Wasserstoff. „Das ist ein zusätzliches Angebot und kann den batterieelektrischen Antrieb nicht ersetzen“, erläutert Transporterchef Heinz-Jürgen Löw. Aber: „Wir wollen immer die beste Lösung für unsere Kunden.“ In diesem Fall sind es dann Schnelltanker und Kilometerfresser. Und das sind viel mehr als die stets eiligen sogenannten Polen-Sprinter.

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