Volle E-Mobilität bis zum Jahr 2035! Ein Zwischenbericht.

Große Transporter: Der weite Weg zur E-Mobilität

von | 28. November 2023

E-Mobilität für 3,5-Tonner. Das Ziel Elektromobilität ist vorgegeben, jedoch der Weg dorthin indes weit. Wie ist der Stand der Dinge?
Renault

Neuester E-Transporter der großen Klasse: Renault Master E-Tech Electric, hier die Variante von Renault Trucks

Wir schreiben das Jahr 2035. E-Mobilität ist Alltag, längst haben Autohersteller in Europa auf vollelektrisch angetriebene Fahrzeuge umgestellt. Auch Transporter tragen inzwischen durchweg den Buchstaben „E“ im Kennzeichen. Neue Batterien, schnelle Ladetechnologien, ein dichtes Netz an Ladesäulen entlang aller Hauptstrecken sowie Brennstoffzellenantriebe ermöglichen angemessene Reichweiten auch auf langen Strecken. Die Preise sind hoch, daher tuckern unverdrossen viele Diesel aus den zwanziger Jahren. Auch wenn sie zunehmend wie der Hund vor der Metzgerei auf Sperrgebiete treffen: Wir müssen draußen bleiben.
Zukunftsmusik. Sie aber wird zurzeit unter Hochdruck komponiert. Was ab Mitte, spätestens Ende dieses Jahrzehnts an neuen Basismodellen auf die Straßen kommt, bekommt einen elektrischen Antrieb. Da wird‘s so manchem Besitzer eines Transporterfuhrparks unbehaglich und den Herstellern blümerant zumute. Denn das bedeutet absehbar deutlich mehr Gewicht als gewohnt, höhere Preise und geringere Reichweiten. Nutzer und Branche werden umdenken müssen.

Jürgen Bartosch

Erster Kontakt vor Ort: Transporter zum Anfassen.

Das E-Quartett: Citroen Jumper, Fiat Ducato, Opel Movano, Peugeot Boxer

Kräftig auf die Pauke schlägt zurzeit Stellantis, der Vielmarkenkonzern mit den Transportermarken Citroen, Fiat, Opel und Peugeot. In Großbritannien kommt Vauxhall hinzu, in Nordamerika RAM. Alle Transporter-Baureihen erhalten zurzeit auf einen Streich ein gründliches Facelift. Hinzu kommt die flächendeckende Einführung neuer E-Varianten für die großen Transporter. Bisher gab’s unterschiedliche E-Modelle für den Fiat Ducato hier – umgebaut in Turin – und Citroen Jumper, Opel Movano und Peugeot Boxer dort, umgebaut durch einen Partner in der Türkei. Jetzt führt Stellantis die großen E-Transporter zusammen und hievt sie auf ein neues Niveau. Mit einer ansehnlichen Palette von Kastenwagen und Fahrgestellen. Mit einer stattlichen Motorleistung von durchweg 200 kW und 400 Nm Drehmoment. Mit einer fetten Batterie von standardmäßig 110 kWh Kapazität, dazu einer hohen Ladeleistung bis zu 150 kW. Eine serienmäßige Wärmepumpe für die Klimatisierung spart Strom. Und falls die Nutzlast wegen des Batteriepakets nicht genügt: 2,4 Tonnen Anhängelast sind auch noch drin.

Damit nicht genug, denn E-Mobilität hat hier eine weitere Dimension: Im zweiten Quartal kommenden Jahres folgen die großen Transporter mit Brennstoffzellenantrieb. Die bereits aus den kompakten Modellen bekannte Brennstoffzelle mit 45 kW Leistung kombiniert Stellantis mit einem E-Motor von 110 kW/400 Nm und einer Pufferbatterie mit nominell 11,3 kWh Kapazität. Im Untergrund sind sieben Kilogramm Wasserstoff mit 700 bar Druck gebunkert. Vorteil dieser E-Mobilität: nochmals größere Reichweite, schnelle Tankung. Sofern sich eine Zapfstelle findet, in Deutschland gibt es zurzeit nur rund 100 Wasserstoff-Tankstellen.

Eigene Wege mit unverwechselbarer Technik: Iveco eDaily

Auf eigenen Wegen fährt traditionell der Iveco Daily. Das beginnt mit der Bauweise des Kastenwagens als Chassis mit aufgesetztem Aufbau und generell Antrieb auf die Hinterachse. Der Truck unter den Transportern ragt mit bis zu 7,2 Tonnen zulässiger Gesamtmasse bis in die Klasse leichter Lkw. Und E-Mobilität? Wer eine Großauswahl schätzt, ist beim E-Daily richtig. Diverse Radstände, Längen und Karosserievarianten, Fahrgestelle, Nebenabtriebe für Aufbauten, zulässige Gesamtmasse zwischen 3,5 und 7,2 Tonnen, Anhängelasten bis 3,5 Tonnen – einzigartig. Auch die Technik: Der E-Motor mit 140 kW überträgt seine Kraft zwar über ein übliches Einganggetriebe, jedoch auf eine klassische Hinterachse. Sie steht in verschiedenen Übersetzungen zur Verfügung, Voraussetzung für die stämmigen Ausführungen und die hohe Anhängelast.

Auswahl gibt es bei der Batterie mit 35, 70 oder 105 kWh und ab 2024 für das schwerste Kaliber mit langem 5200 Millimetern Radstand sogar 148 kWh. Es handelt sich um Bruttowerte, doch die nutzbare Kapazität liegt mit rund 95 Prozent kaum darunter – sehr beachtlich. Für den großen Brummer als Fahrgestell nennt Iveco beachtliche 3,6 Tonnen Nutzlast. Eher matt ist mit 80 kW die Ladeleistung, für die größeren Batteriepakete künftig 115 kW. Im Rahmen neuer Vorschriften erhält der E-Daily weitere Assistenzsysteme. Damit ändert sich auch der Stoßfänger. Außerdem hat Iveco das Cockpit überarbeitet. Merkmale sind unter anderem neue Digitalinstrumente, große Monitore neue Ablagen, eine elektrische Parkbremse und schlüsselloses Betreten und Starten. Per App können Fuhrparks ins Geschehen eingreifen, etwa Türen abschließen oder den gewünschten Fahrmodus aktivieren. Und dann war da der Daily mit Brennstoffzellenantrieb, vorgestellt vor einem Jahr zusammen mit Hyundai. 2024 gehen zehn Transporter in den Kundenversuch. Noch ist unklar, ob mehr daraus wird.

Randolf Unruh

Der E-Transit lässt Tankstellen links liegen. Er setzt im Unterschied zu vielen Wettbewerbern auf Hinterradantrieb.

Im forschen E-Transit stecken die Gene des Mustang Mach-E

Ford ist bei den großen Transportern weiter als die Kooperations-Kollegen von VW. Für den Schritt zur E-Mobilität nutzt Ford Technik aus dem Regal. Und was für welche: Der E-Transit greift auf Antriebs- und Batterietechnik des Mustang Mach-E zurück. Das bedeutet: E-Motor im Bereich der angetriebenen Hinterachse mit Einzelradaufhängung, Leistung 135 kW oder sogar 198 kW, Drehmoment jeweils 430 Nm. Der Kraftprotz befüllt seinen Akku von nutzbaren 68 kWh mit maximal 115 kW an der Schnellladesäule. Karosserien und Fahrgestelle gibt es reichlich. Überraschend matt ist im Vergleich zum neuen kleinen Bruder mit einer Dreivierteltonne die maximale Anhängelast. Kommt da noch was? Ford testet zurzeit ein Rudel E-Transit mit Brennstoffzelle und Wasserstoff – für üppige Reichweiten und schnelles Tanken.

Mercedes eSprinter: Zeitenwende ab 2024

Der Mercedes eSprinter steckt mitten im Umbruch. Als Einheits-Kastenwagen dreht er bisher vorzugsweise im Blaumann für einen großen Versender seine Runden. Da mag die nutzbare Kapazität seiner Antriebsbatterie von 35 oder wahlweise 47 kWh genügen, doch für Langstrecken taugt das nicht. Der eSprinter lädt mit maximal 80 kW, bringt es auf 85 kW (116 PS) und 295 Nm. Der nächste eSprinter fährt schon los und lässt aufhorchen. Mit zahlreichen Karosserievarianten. Mit Batterievarianten von 56 über 81 bis 113 kWh und bis zu 115 kW Ladeleistung. Mit einem E-Motor im Bereich der Hinterachse mit wahlweise 100 oder 150 kW (136/204 PS) Leistung. Das Drehmoment beläuft sich in beiden Fällen auf 400 Nm. Eine neue Dimension für den E-Transporter mit Stern ab Ende dieses Jahres.

Und doch ist auch dieser eSprinter nur ein Modell des Übergangs. Ab 2026 heißt es Mercedes Van.EA. Das Kürzel steht für Van Elektro-Architektur, eine neue Plattform für alle mittelgroßen und großen Transporter mit Stern. Dann bekommt die Basis wieder Vorderradantrieb, mit Heckmodul auf Wunsch erweiterbar zum Allrad. Das ist E-Mobilität, die höchst spannend klingt.

Mercedes-Benz

Mercedes eSprinter mit neuer Architektur ab Jahreswechsel.

Renault holt tief Luft: neuer Master E-Tech Electric mit ganz anderer Performance

Renault ist Pionier der E-Mobilität und steht schon lange unter Strom. Der Master E-Tech war bisher mit schwächlichem E-Motor (57 kW/76 PS) und 245 Nm Drehmoment, knapper Batterie von ledigich 52 kWh und einem dünnen Ladestrom von nur 22 kW kein Fall für Anspruchsvolle. Die nächste Generation des großen Transporters folgt zum Frühjahr 2024. Komplett neu entwickelt, ohne Kooperationspartner Mercedes. Renault hievt den batterie-elektrischen Master E-Tech Electric mit diesem Schritt auf ein neues Niveau. Der Master ist strömungsgünstig geformt, das senkt den Verbrauch und erhöht die Reichweite. Es gibt neben den vier Dieselausführungen dann zwei Batterievarianten, die Kapazitätbeläuft sich auf nutzbare 40 kWh für Kurzstreckenfahrer und 87 kWh für anspruchsvollere Einsätze. Dazu passt auch die Anhängelast von ansehnlichen 2,5 Tonnen. Interessenten können ebenfalls zwischen zwei Ausführungen des E-Motors mit 96 kW und 105 kW wählen. Das Angebot setzt sich aus Kastenwagen unterschiedlicher Größe und Fahrgestellen zusammen. Auf der Hand liegt eine Ableitung als Nissan Interstar. Mit etwas Abstand soll im Jahr 2025 ebenfalls der Master mit Brennstoffzelle und Wasserstoff Fahrt aufnehmen.

Auflaufmodelle: das VW eCrafter/MAN eTGE, Nachfolger vorussichtlich 2027

Der schmucke VW ID.Buzz spielt in einer anderen Liga – bleibt bei den klassischen großen Transportern noch das Duo VW eCrafter/MAN eTGE. Es ist ähnlich wie der bisherige eSprinter als standardisierte Kastenwagen auf Paketdienste im Nahbereich ausgelegt. Da mag eine Batterie von nettto 35,8 kWh Kapazität genügen. Ebenso die arg matte Ladeleistung von maximal 40 kW, denn getankt wird hier meist an der Wallbox im Betrieb. Die E-Maschine dagegen passt mit 100 kW (136 PS) und 290 Nm durchaus noch zum aktuellen Niveau. Genutzt hat es nichts, der eCrafter ist nicht mehr konfigurierbar, den eTGE gibt’s immerhin noch bis zum Frühjahr 2024, so MAN. Danach ist Pause – bis zum komplett neuen Nachfolgemodell für beide Fabrikate. Die Rede ist vom Jahr 2027. Dann vermutlich zusammen mit Kooperationspartner Ford. Befeuert womöglich ebenfalls von den Mustang-Genen des E-Transit? Oder profitieren die kommenden E-Transporter gar von 800-Volt-Technik für blitzschnelles Laden?

War da noch was? Bei Transportern klopft Maxus mit dem eDeliver 9 an die Tür. 150 kW Motorleistung, Batterie 72 oder 89 kWh, als Fahrgestell aber nur 65 kWh. Das Cockpit wirkt gediegen und bestens gepflegt, der Kastenwagen fährt sich angenehm. Maxus gehört zum Automobilriesen Saic, der noch mehr E-Pfeile im Köcher hat.
Fazit zum Stand der E-Mobilität: Das Angebot wächst rasant, Leistungsdaten und Batteriekapazität ebenfalls. Praxisprobleme bleiben: Batterien sind groß, schwer und teuer. Die Zeiten an der Ladesäule lang, auch weil bisher kein europäisches Fabrikat von 400- auf die pfeilschnelle 800-Volt-Technologie gewechselt ist. Bietet die Brennstoffzelle mit Wasserstoff einen Ausweg? Mercedes und VW hatten das Thema im Jahr 2016 kurz aufflackern lassen und gleich wieder verworfen. Anders Renault und die Stellantis-Gruppe, eventuell auch Ford und Iveco.Doch es fehlt europaweit die Infrastruktur. Sieht das im Jahr 2035 anders aus? Wir werden es erfahren.

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Alles über den Iveco Daily 2024: rundum aufgewertet
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