MAN: der TGE wird digital
Neue Vorschriften erfordern neue Maßnahmen – ob nun komplett entwickelte Transporter oder wenigstens gründliche Renovierungen. Aktuell dreht es sich um gesetzliche Vorgaben in der EU für Cybersicherheit und Assistenzsysteme ab Sommer 2024. Zu ihrer Erfüllung muss beim MAN TGE eine neue Elektrik- und Elektronikstruktur her. Sichtbar wird der Schritt am neu gestalteten Cockpit mit digitalen Instrumenten, mit Bildschirmen im Format 10,4 und 12,9 Zoll und einem neuen Multifunktionslenkrad. Einzug halten ebenfalls eine elektrische Parkbremse und Keyless Go, ein schlüsselloses Startsystem. Serienmäßig, versteht sich. Und alles wirkt aufgeräumt wie eh und je. Das Lenkrad hat Tasten und keine Touchflächen, das Automatikgetriebe bedient der Fahrer per Lenkstockhebel. Funktion steht über Form, Transporter eben.
Unter den schönen neuen Oberflächen installieren die Entwickler neue Assistenzsysteme. So kann sich der TGE mit seinem Verkehrszeichenassistent künftig automatisch an Tempobegrenzungen anpassen. Der Müdigkeitsassistent warnt nicht nur optisch und akustisch, er zupft auch weckend am Sicherheitsgurt. Bei einem Ausfall des Fahrers kommt der TGE automatisch zum Stehen. Zur Grundausstattung zählen ebenfalls Parkassistent und aktiver Spurassistent. Ein weiteres Rudel Helfer wird auf Wunsch zugesteuert. Hinzu kommen Over-the-air-Updates und Funktionen wie Bezahlmöglichkeiten an der Tankstelle direkt aus dem Cockpit, die Übertragung von Daten aus dem digitalen Tachografen in eine App, etwa zur Kontrolle der Restfahrzeit sowie weiterentwickelte Flottenmanagementsysteme. Und weil der TGE so viel mehr kann, spricht MAN vom TGE Next Level.
Liegt der Schwerpunkt von Transporterkamerad Crafter traditionell beim Kastenwagen, so trumpft MAN beim Thema Auf- und Ausbauten auf. Das beginnt mit Einrechnungs-Fahrzeugen ab Werk aus einer Hand. Im Angebot sind Kipper, Koffer und Kühler, dazu ein Werkstattwagen. Und während VW schon lange keinen Crafter Kombi mehr anbietet, liefert MAN ihn als TGE gleich in diversen Bestuhlungen. Er kommt, wie so manches andere, von MAN Individual. Die Manufaktur nahe des Transporterwerks in Polen kümmert sich um Sonderausführungen, im Jahr 2022 immerhin 1200 Umbauten. Das Spektrum reicht neben diversen Einbauten bis zum eigenen Radstand für das Fahrgestell mit Vorderradantrieb und Flachrahmen. MAN und VW offerieren ihn mangels eines Zugkopfs für Alko-Tiefrahmen. Aber nur MAN mit individuellen Ausführungen. Oder wie wär’s mit vorkonfigurierten Kastenwagen mit eigenständigem Hochdach, Fensterverbreiterungen im Fond und vorbereiteter Bordelektrik als Basis für große Campingbusse?
MAN mag Aufbauer und Aufbauer mögen MAN. Da geht was, es ist die Chance, im Vergleich zum großen Bruder VW eigenes Profil zu gewinnen. Da wäre zum Beispiel ein mächtiger Dreiachser auf TGE-Basis. Stopp: Es handelt sich um eine findige Fahrzeugkombination. Entwickelt und gefertigt von BE-Combi. Die Firmenbezeichnung deutet es an: Der Riese ist führerscheinfreundlich mit dem BE-Schein zu fahren. Auf Grundlage des TGE 5.160 mit Hinterradantrieb und Zwillingsbereifung entsteht auf diese Weise ein stämmiger Siebentonner. Mit Koffer, Kühlkoffer, Pritsche, Plattform – was auch immer. Wer den Riesen betrachtet, der glaubt TGE-Produktmanager Martin Imhoff, wenn er zusammenfasst: „Wir haben auf jede Frage eine Antwort.“
Und MAN macht Dampf: Für die Blaulicht-Fraktion und deren deftige Ansprüche an Fahrleistungen rückt zusammen mit Tuner Abt eine kräftige TGE-Variante mit 149 kW (202 PS) ins Programm. Das maximale Drehmoment von 410 Nm bleibt unverändert, denn die Getriebe geben Grenzen vor. Die zusätzliche Leistungsstufe würde auch anderen Modellen stehen, etwa den TGE-Allradlern. Hier gibt es gleich zwei Ausführungen. Die leichte Variante basiert auf dem Fronttriebler mit 3,5 bis 4,0 Tonnen zulässiger Gesamtmasse. Eine Haldex-Kupplung verteilt das Drehmoment in Sekundenbruchteilen abhängig vom Schlupf bis zu 50:50 zwischen den Achsen. Ein Automatikgetriebe ist Standard. Für die gewichtigeren TGE-Ausführungen zwischen 4,0 und 5,5 Tonnen auf Basis des Hinterradantriebs offeriert MAN einen 4×4 in Zusammenarbeit mit Allradspezialist Oberaigner. Dessen permanenter Allradantrieb verteilt die Kraft fix mit 42:58 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse. Schalt- und Automatikgetriebe stehen zur Wahl. Untersetzungen oder Differenzialsperren sind nicht vorgesehen.
Stichwort Motoren: Stück für Stück wechselt MAN bei der Homologation des TGE von Light Duty zu Heavy Duty, von EU 6 zu Euro VI. Ursache sind zunehmend komplexe und kaum zu erfüllende Emissionsvorschriften für Light Duty. Hinzu kommen Restriktionen: Für die Homologation Light Duty sind zum Beispiel bei Kofferaufbauten sechs Größen und eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h vorgegeben, bei Heavy Duty gelten keine Einschränkungen. Messungen und Ergebnisse sind nicht direkt vergleichbar. Die Leistungsstufen unterscheiden sich nur in der stärksten Ausführung: Light Duty 130 kW (177 PS), Heavy Duty 120 kW (163 PS). Hersteller sind in einem breiten Gewichtsbereich frei in der Einstufung. Es gilt die Referenzmasse, sie entspricht etwa dem Leergewicht mit Fahrer und gefülltem Tank. Die Einstufung nach Light Duty (EU 6) ist bis hinauf auf rund 2,8 Tonnen möglich, die Einstufung nach Heavy Duty (Euro VI) bereits ab knapp 2,4 Tonnen möglich. Dazwischen besteht Wahlfreiheit. Erstes Ergebnis ist eine HD-Ausführung des MAN TGE 3.160, ein 3,5-Tonner mit Hinterradantrieb, Einzelbereifung und Automatikgetriebe. Und was ist mit Elektroantrieb? Der hat ab Frühjahr 2024 erst einmal eine lange Pause.
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