Experten-Probefahrt: Maxus eDeliver 3 und eDeliver 9
Manchmal färben kleine Begebenheiten den grauen Alltag plötzlich bunt und heiter ein. Nervtötend hängt der ungeduldige Drängler am Heck des Lieferwagens Maxus eDeliver 3. Frech, ein Kastenwagen behindert bei Geschwindigkeitsbegrenzung die Fahrt? Dann aber endet die Tempobegrenzung, der Kastenwagen prescht nach einem kurzen Tritt aufs Fahrpedal vehement davon, der lästige Verfolger verschwindet im Außenspiegel des Maxus. Manchmal bereiten selbst schlichte Kastenwagen Vergnügen.
Dieser hier ist eine noch weitgehend unbekannte Größe chinesischer Herkunft. Der Begriff Größe ist durchaus wörtlich zu nehmen: Der Maxus eDeliver 3 streckt sich in Langversion auf 5,15 Meter Länge (Kurzausgabe 4,56 Meter), hat einen ellenlangen Radstand, ist gleichzeitig schlank und mit einsneunzig mannshoch gewachsen. Die Proportionen mit knuffig-kurzen Nase und langem Achsabstand erinnern ein wenig an einen Hush Puppy. Die Formen wirken gefällig, schmale Fenster lassen zusammen mit dunkel eingefärbten A-Säulen an einen Vollvisierhelm denken.
In Form und Gewicht (leer rund 1,6, maximal etwa 2,6 Tonnen) siedelt sich der große eDeliver 3 zwischen großen Lieferwagen und kompakten Transportern an. 6,3 Kubikmeter Fracht soll er schlucken, indes geht Maxus bei der Berechnung von den Maximalmaßen des Laderaums aus, das gibt in der Realität Abzüge. Aber trotz der schlanken Statur von 1,78 Meter Breite passt die Europalette quer zwischen den Radkästen hindurch, wenn der Staplerfahrer perfekt zielt. Die Heckflügeltüren öffnen ohne Haltebügel, die Schiebetür ist 700 Millimeter schmal, aber leichtgängig. Zurrösen reihen sich an der Seitenwand auf, Maxus spricht von einer Karosseriestruktur aus Edelstahl und Aluminium.
Ein stattlicher Bursche ist der eDeliver 3 also und konstruktiv konsequent auf batterieelektrischen Antrieb ausgelegt. Das erklärt die Optik und ebenfalls den ungestümen Antritt mit scharrenden Vorderrädern, einst Kavalierstart genannt. 90 kW leistet die Maschine und bringt es auf 255 Nm Drehmoment. Vom Start weg und hier völlig ungezähmt. Unter dem Boden stecken wahlweise Batterien mit 35 oder 52,5 kWh Kapazität. Das ergibt angesichts eines Verbrauchs von zirka 26 kWh nach WLTP-Messung eine Reichweite entweder von 150 oder beachtlichen 230 Kilometern. Sofern der Fahrer nicht etwaige Verfolger abschüttelt, versteht sich. Und bei 120 Sachen ist ohnehin Schluss, praxisgerecht. Geladen wird vorn an der Nase per Wechsel- oder Gleichstrom, dann geht’s laut Maxus von null auf 80 Prozent in 45 Minuten, auch hier heißt’s Tempo.
Indes lässt der Elan beim Fahren trotz des Temperaments nach. Die Lenkung arbeitet unpräzise, auf schmalen 185er-Reifen und mit blattgefederter starrer Hinterachse rollt der Maxus etwas hölzern ab. Die Außenspiegel verzichten auf Weitwinkelgläser, aber es gibt serienmäßig eine Rückfahrkamera.
Das Cockpit des Maxus eDeliver 3 ist nicht unfreundlich aber recht schlicht eingerichtet. Hartplastik beherrscht die Szenerie. Für rustikale Einsätze kein Problem, die Maxus-Anmutung ist äußerlich eher Caddy, innerlich Streetscooter. Das Lenkrad fasst sich glatt an, der Sitz ist mäßig bequem. Aber die Bedienung funktionell und die Ausstattung sehr reichhaltig. Praktischer Drehregler für die Fahrtrichtung, Klimaanlage, Multifunktionslenkrad, einfache und klare Instrumentierung, offene Ablagen – passt. Sonderausstattungen sind Fehlanzeige, man muss den Maxus eDeliver 3 nehmen, wie er ist. Netto kostet er laut Liste je nach Länge und Batterie zwischen 35 000 und 40 000 Euro (Stand 2021). Maxus gibt dem Riesen-Lieferwagen noch eine Garantie von fünf Jahren oder 100 000 Kilometer mit auf seinen Weg, für die Batterie sind’s die üblichen acht Jahre und160 000 Kilometer.
Diese Garantien bringt auch der Maxus eDeliver 9 mit. Optisch orientiert er sich mit bulliger Nase am schon wieder verschwundenen Hyundai H350 oder am Ford Transit. Auch tritt er als Kastenwagen mit einer umfangreichen Palette an: zwei Längen von 5,55 und 5,94 Meter, zwei Höhen, zulässige Gesamtgewichte von 3,5 und 4,05 Tonnen. Hinzu kommen drei beachtliche Batteriepakete von 51,5 und 72 sowie 88,55 kWh. Macht im Mix acht Modelle mit einem klaren und sinnvollen Schwerpunkt im Bereich von sechs Meter Länge und 3,5 Tonnen. Und Nettopreisen zwischen 51 490 und 67 490 Euro. Enthalten ist eine üppige Ausstattung mit Klimaanlage, LED-Scheinwerfer und Assistenzsystemen.
Ohnehin mag’s der große Maxus eher prächtig. Vorne glänzt eine schwarze und chromgerahmte Maske, das LED-Tagfahrlicht erinnert an gezupfte und nachgezogene Augenbrauen. Handfeste und lackierte Griffe öffnen die Türen. Wirkt sein kleiner Bruder im Fahrerhaus etwas verhärmt, so setzt sich die Üppigkeit des Maxus dort fort: viel Chrom, fast echter Karbonschmuck, schwarzglänzender Kunststoff. Nein, nicht der so gern verbal bemühte Klavierlack, denn der Zierrat ist nicht ganz echt. Aber er streichelt die häufig so gepeinigte Fahrerseele.
Im eDeliver 9 sind die Scheiben groß bemessen und die Außenspiegel haben ein (zu gering) verstellbares Weitwinkelfeld. Der Fahrersitz jedoch erinnert unwillkürlich an einen Küchenstuhl. Aber die markante Schalterleiste gefällt, ebenso das Display im Tabletformat. Reichlich Ablagen einschließlich Beifahrer-Sitztruhe sowie Zollstockfach (Gruß an den Crafter) nehmen den alltäglichen Kleinkram auf.
Die E-Maschine bringt es auf imponierende 150 kW sowie 310 Nm, das genügt allemal. Auch der große Maxus beweist Temperament, wenn auch wegen seines Leergewichts um 2,5 Tonnen nicht ganz so explosiv wie sein kleiner Bruder. Aber er federt sanfter, Fahrwerk und Lenkung wirken deutlich ausgereifter und präziser. Generell macht der Transporter rundum einen Klassenunterschied deutlich.
Dies trifft ohnehin auf seine Eigenschaften als Frachter zu. Je nach Auslegung schleppt der große Maxus 9,7 bis 13 Kubikmeter (Tipp auch hier: wenn’s drauf ankommt nochmals nachkalkulieren) und 0,9 bis 1,4 Tonnen Fracht. Falls dies nicht genügt, darf er bis zu 1,5 Tonnen ziehen, Hut ab.
Das beweist: Der große Maxus basiert auf einer stämmigen Basis, dem Deliver 9 ohne „e“ mit Dieselmotor, angetriebenen Hinterrädern sowie einem imponierenden Chromgrill. Auf den Diesel hatte der deutsche Generalimporteur Maxomotive zunächst wenig gesetzt, wollte sich mit einem Einheitsmodell zur Abrundung begnügen. Nun aber soll sich daraus ebenfalls eine ganze Flotte entwickeln. Die junge Marke bringt Farbe in die Transporterszene. Nur zu wörtlich darf man’s nicht nehmen: Neben dem serienmäßigen Weiß sind beim eDeliver 9 gerade mal drei Metalliclacke im Angebot, beim eDeliver 3 sogar nur zwei Farben.
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