Experten-Fahrbericht: Ford Ranger PHEV
Der kleine Ort heißt Schreck, und so mancher Einwohner des Stadtteils von Siegburg könnte angesichts wuchtiger Pickups, mal leise säuselnd, mal sanft grollend, in einen entsprechenden Gemütszustand verfallen sein. Ford hat sich etwas einfallen lassen. Wer hunderttausende Pickups im Jahr auswirft, kann sich Besonderheiten leisten. Zum Beispiel einen Benziner. Und darauf aufgebaut einen Plug-in-Hybrid. Das Ergebnis heißt Ford Ranger PHEV.
Ist das jetzt Schminke für CO2-Emissionswerte der Ford-Flotte? Ist es ernstgemeinte Umweltschonung für Nase und Ohren? Ford kombiniert einen 2,3-Liter-Benziner mit Aluminiumblock mit einem Elektroantrieb. Und nun bitte nicht die überschaubare Größe des Verbrenners kritisieren, denn das Ergebnis ist mit einer Systemleistung von zusammen 207 kW (281 PS) und einem gewaltigen Drehmoment von 697 Nm höchst beachtlich. Mehr Dampf hat kein Ranger, der PHEV hängt selbst den stärksten Diesel im Programm ab.
Dies alles spielt sich in deutlich höheren Drehzahlregionen ab als bei den in diesem Segment so typischen dicken Dieselmaschinen. Gut also, dass serienmäßig ein Zehngang-Automatikgetriebe die Kraft portioniert und die Gänge sortiert. Sahnig und passend. Beim Tritt aufs Fahrpedal wählt der Ranger je nach Anforderung den E-Antrieb oder gleich das Gesamtkunstwerk aus Benzin und Strom mit der passenden Übersetzung. Er denkt dabei kurz nach, wer will es dem Ford angesichts der Komplexität des Antriebs verdenken.
Sanftes Dahingleiten funktioniert mit dem Ford Ranger PHEV rein elektrisch, denn die E-Maschine leistet immerhin 75 kW. Ihre Batteriekapazität ist mit 11,8 kW überschaubar, reicht im Bestfall für knapp über 40 Kilometer Strecke. Die Akkus ruhen hinten im Untergrund, zu diesem Zweck haben die Entwickler den Rahmen angepasst, auch liegt die Ladefläche zwei Fingerbreit höher, präzise sind es 31 Millimeter.
Doch mit dem Bestfall ist es so eine Sache. Treffen hier doch gut 2,5 Tonnen Leergewicht, eine knappe Tonne Nutzlast und maximal 3,5 Tonnen Anhängelast sowie der Allradantrieb aufeinander. Das bedeutet zunächst volle Lendenkraft, wie es sich für ein stämmiges Pickup mittlerer Größe gehört. Aber auch hoher Energieeinsatz, wenn die Fuhre gefordert ist. Nicht vergessen: Ford begrenzt das zulässige Gespanngewicht auf 6,6 Tonnen. Vorne und hinten gleichermaßen vollpacken funktioniert also nicht.
Aufgrund seiner schieren Masse stürmt der Ford Ranger PHEV zwar vehement, aber nicht mit Urgewalt davon. Allein mit Hinterradantrieb gefahren, scharrt er beim scharfen Anfahren auf feuchter Fahrbahn ungeduldig mit der Hinterhand. Also das Temperament zügeln, per Drehregler auf Allrad gehen, oder auf den automatisch zuschaltenden 4×4-Antrieb. Und im Gelände bei deftigen Einsätzen auf die zusätzliche Untersetzung zurückgreifen. So gerüstet beweist der Ranger PHEV Durchsetzungsvermögen.
Wer’s ganz genau nimmt, wählt zusätzlich sorgfältig aus mehreren Angeboten den passenden Fahrmodus aus. Moderne Zeiten: Elektronische Heinzelmännchen machen es dem Allradfahrer längst einfach, er regelt die Angelegenheit mit seinem Auge und dem Gasfuß, vertraut auf üppige Kraft sowie traktionsstarke Reifen unter der kraftvoll geformten Karosserie. Keine Bange: Der Ranger kann abseits der Straße mehr als sein Fahrer.
Ford setzt auf ein Fahrwerk mit doppelten Querlenkern vorn, das klingt sportlich. Sowie auf und Blattfedern hinten, das bedeutet Belastbarkeit. Das ergibt 1,49 und 2,1 Tonnen zulässige Achslast, also nicht gerade übertriebene Reserven für Übergewicht oder ungleich verteilte Ladung. Aber im Vergleich zu ähnlich gewichtigen Transportern der 3,5-Tonnen-Klasse ein geradezu überraschend samtiges Fahrwerk.
Ford entwickelt sich konzernweit längst zum Hersteller von Transportern und Pickups mit angeschlossener Fertigung von Pkws und SUVs. Aus Sicht der amerikanischen Heimat – US-Bestseller ist der mächtige Ford F-150 – zählt der Ranger eher zu den Hänflingen. In Europa mit 5,35 Meter Länge aber bereits zu den imponierenden Gestalten. Mit einer hohen und langen Motorhaube, einem wuchtigen Kühlergrill mit großem Markenemblem.
Ford kann Pickup, man merkt es beim Blick auf das Hinterteil des Ranger. Die Bordwand schwenkt leicht nach oben, eine seitliche Trittstufe hilft beim Besteigen der Ladefläche der Ford Ranger PHEV. Für sie hält Ford unterschiedliche Abdeckungen sowie eine Querunterteilung bereit. Auch eine Europalette hat Platz. Sogar quer, sofern keine Verkleidung den Abstand zwischen den Radkästen einengt. Hilfreich sind je nach Ausstattung ebenfalls zwei 230-Volt-Steckdosen, sie versorgen Elektrowerkzeug mit zusammen maximal 6,9 kW Strom.
Weiter vorn überzeugt die erste Reihe im Fahrerhaus des Ford Ranger PHEV zunächst mit reichlich Platz und zwei recht bequemen Sesseln. Die Bedienung zeigt markentypisch Höhen und Tiefen. Da wären konfigurierbare Armaturen, bei maximaler Bestückung schon übervoll. Sehr präzise lässt sich auf Wunsch der Aggregatzustand rund um den Hybridantrieb mit Batteriekapazität, Stromentnahme und Rekuperation – grüne Anzeige bei Gas weg – verfolgen.
Dazu gesellen sich ein flächendeckender Monitor in Wagenmitte und praktische Drehregler für die Klimatisierung. Ein weiterer Regler für die Lautstärke des Infotainments. Schließlich wäre da die Mittelkonsole als Schaltzentrale für den komplexen Antrieb mit Bedienknauf für die Fahrtrichtung, Drehschalter für die Wahl des Zweirad- oder Vierradantriebs und weiterem Einfluss auf den Gang des Ranger PHEV.
Die Umgebung ist eher derb eingerichtet, der Ranger gilt mehr als kerniger Arbeiter denn als geschniegelter Bürohengst. Ford legt lieber mit fast zahllosen Varianten Wert auf eine extrovertierte Verpackung. Dies alles spiegelt sich im Preis wider. Den Ranger mit Doppelkabine gibt es ab netto 39 290 Euro, darüber siedelt sich eine ganze Horde Ranger mit unterschiedlichsten Ausstattungen und Motoren an. Wer’s wild mag, kann sich außerdem den heißen Ranger Raptor aussuchen, indes nicht als Hybrid. Den gibt’s künftig, als Ranger PHEV MS-RT – hinter dem Buchstabensalat steckt ein Familienmitglied mit richtig dicken Backen als Schmankerl. Der günstigste Ranger PHEV steht in der funktionellen Variante namens XLT ab netto 44 690 Euro im Schaufenster. Das lässt sich in zwei Stufen bis auf netto 57 990 Euro steigern.
Der Ford Ranger PHEV ist in seinem Segment solo unterwegs. Seine Wettbewerber setzen auf Diesel, auf milde Hybride oder gleich auf erste Vollstromer. Auch sein Bruder VW Amarok verzichtet in Europa auf Benzin und Hybrid, er ist der Junior der Geschwister. So ist das eben, wenn man hunderttausende Pickups im Jahr auswirft und seit vielen Jahren die Hitliste des schmalen Pickup-Segments in Deutschland und Europa anführt. Dann kann man sich Besonderheiten leisten. Ach du Schreck.
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Randolf Unruh








