75 Jahre VW Transporter: Bulli und Metall-Tiger – Experten-Story

von | 8. März 2025

Volkswagen Nutzfahrzeuge

Das Wirtschaftswunder kann beginnen: Transporter-Katalog 1952.

Der VW Transporter hat einer ganzen Kategorie seinen Namen gegeben. Jetzt feiert er Geburtstag. 75 Jahre VW Transporter: Bulli und Metall-Tiger.

Der VfB Stuttgart wird deutscher Fußballmeister, im Kino läuft „Der dritte Mann“, im Radio dudeln Friedel Hensch & Die Cyprys, Rudi Schuricke und Hans Albers. Wir schreiben das Jahr 1950. Es liegt im chinesischen Horoskop im Jahr des Metall-Tigers. Das passt zu einem Ereignis am 8. März 1950. Der Tag beginnt neblig-kühl, den ganzen Tag über blieb der Himmel bedeckt. Unter der Wolkendecke erlebt ein ganz besonderer Transporter seine Geburt: Es ist der Beginn der Serienfertigung des neuen VW Transporter. Des Bulli. Auch ein Metall-Tiger, wie sich schnell herausstellt.

VW T1: Der rasante Start eines Millionenerfolgs und ein ungelöstes Rätsel

Er hätte „Triumphator“ heißen können oder „Juwel“. Dies und mehr steht zur Auswahl. „Bully“ ist geschützt, zu nahe am Lanz Bulldog. Übrig bleibt niedersächsisch-sachlich „Transporter“. Er hätte kantig werden können wie ein Kastenbrot, doch dank der Windkanalversuche der TH Braunschweig bekommt er sein rundliches Gesicht. Er sollte das Chassis des Käfers erhalten, dies aber hält die Belastung nicht aus. So kommt es zu einer selbsttragenden Karosserie mit Bodenrahmen, Boxermotor im Heck vom Käfer, Hinterachse vom Kübelwagen. Entwicklung und Erprobung laufen in raschem Tempo parallel. Heute würde man von einer agilen Entwicklung sprechen.

Das Ergebnis ist der VW Transporter, der Transporter schlechthin. Er prägt mit seiner Bezeichnung und seinem Können eine ganze Branche. Wird weiterentwickelt zum schicken Samba und zum reisefreundlichen Campervan. Wird 17 Jahre in Deutschland gefertigt und anderswo noch viel länger. Ist so erfolgreich, dass ihm VW in Hannover ein eigenes Werk errichtet. 1962 ist die erste von vielen Transporter-Millionen geschafft. Der einfache Transporter mit dürrer Karosserie, blechernem Interieur und vielen kleinen Butzenscheiben ist indes in die Jahre gekommen.

Zurück geht der Transporter auf eine Idee des niederländischen Importeurs Ben Pon, der 1947 die Grundidee in seinem Notizbuch skizziert. Sie gilt als Grundstock von allem, was folgt. Aber es gibt auch eine Patentzeichnung des Käfer-Machers Ferdinand Porsche aus dem Jahr 1939 für ein Fahrgestell mit Sitz über der Vorderachse (siehe Bild). Die regen Fanboys von VW Nutzfahrzeuge Oldtimer haben einen Seitenriss des T1 darübergelegt – passt. Enge Porsche-Mitarbeiter waren federführend an der Entwicklung des T1 beteiligt, kannten sie die Skizze? Ein ungelöstes Rätsel der Automobilgeschichte.

VW T2: der Schritt in die Moderne

Große Fenster, kantigere Formen, dezentes Wachstum, Doppelgelenk-Hinterachse zeitgemäßes Cockpit – alles ist neu an der zweiten Generation des VW Transporter im Jahr 1967. Es ist der erste Modellwechsel überhaupt von VW, bis dahin gab es nur den Käfer und den größeren VW Typ 3. Alle einschließlich Transporter mit luftgekühltem Heckmotor ausgerüstet, ein Dogma im Unternehmen. Im Laufe der Jahre werden die Motoren raumsparend flacher, hält Sicherheitstechnik Einzug. Man experimentiert mit Elektroantrieb und sogar einer Gasturbine. Der luftgekühlte Boxer aber bleibt.

Der Transporter ist mehr denn je ein Renner. Er rutscht aber Mitte der Siebziger in eine Krise, denn der bisher florierende US-Export bricht ein, dr Dollarkurs, die teute Chicken-Tax für Transporter – ja, Zölle gab es auch damals. Westfalia ist von Anbeginn Ausbaupartner für eine Vielzahl Campervans. Der Westfalia Berlin liefert ab 1976 die Vorlage für ganze Generationen von Reisefahrzeugen aller Marken: Küchen- und Schrankzeile links, Klappsitzbank im Heck, vorn öffnendes Aufstelldach. Die VW-Entwickler zieht es derweil in die Sahara, sie erproben Transporter mit Allradantrieb.

VW T3: der bestmögliche Heckmotor-Transporter

Die Fachwelt ist 1979 überrascht, hat sie doch nach Golf und Scirocco, Polo und Passat einen Transporter T3 mit Frontantrieb erwartet. Pustekuchen, es bleibt beim Heckantrieb mit Luftboxer. Später werden die leitenden Entwickler verraten, dass sie nur zu gerne einen Fronttriebler entwickelt hätten. Doch es fehlte seinerzeit an vielem, an Aggregaten in passender Größe für einen Transporter, an Geld. Also entwickeln sie wieder ein Heckmotor-Modell, aber was für eines. Üppig gewachsen, mit extrem flachem Heckmotor und einer schraubengefederten Schräglenker-Hinterachse.

In den nächsten Jahren hält erst ein mühsam implantierter wassergekühlter Dieselmotor Einzug, es folgen wassergekühlte Boxermotoren, 1985 der Allradantrieb und ein Turbodiesel. Und der VW wird fein und mehr denn je zur Großraum- und Reiselimousine. Die Pkw-Ausführungen heißen bald Caravelle, gekrönt vom edlen Sechssitzer namens Carat. Noch vorsichtig steht der Multivan auf der IAA 1985, deklariert als Studie. Er wird ein Hit, erst recht als schicker Blue Star und White Star. Den hochfeinen Westfalia-Campervan Joker verwandeln VW und Westfalia in den einfacheren California. Doch Generell tut sich der Transporter mit seinem Heckmotor-Konzept längst schwer.

VW T4: alles wird anders, Revolution statt Evolution

Ihren Traum der Siebziger können die Transporter-Entwickler endlich 1990 realisieren. Dann startet der T4, ein Transporter mit Quermotor vorn und Frontantrieb. Mit Vier- und Fünfzylindermotoren, mit Benzinern und Dieseln. Mit zwei Radständen, endlich auch einem Fahrgestell mit Fahrerhaus. Das heißt in der Praxis: erstmals ein bequemer Einstieg hinter der Vorderachse, endlich ein ebener Ladeboden. Sowie Aggregate mit enger Pkw-Verwandtschaft. Revolution statt Evolution.

Indes entpuppt sich der T4 als etwas zart gebautes Wesen, was sich erst im Rahmen einer umfangreichen Aufwertung 1996 ändert. Einzug hält der TDI, ein ebenso kräftiger wie sparsamer Turbodiesel-Direkteinspritzer. Der ursprünglich einfach Multivan entwickelt sich zum feinen Van. Für gutsituierte Geschäftsleute fertigt VW in einer hauseigenen Manufaktur edle Business-Ausstattungen. Zum Schluss der Karriere erregen Studien Aufmerksamkeit: Der Microbus gilt als früher Vorläufer des späteren ID. Buzz, der All-in-One wird die Reisemobilszene prägen.

VW T5 – T6.1: der Langläufer

Wie lang sind Modellzyklen bei Transportern? Der VW T1 galt nach 17 Jahren längst als rollender Oldtimer, ähnlich wie der Käfer. Der Transporter T5, T6 und T6.1 aber wird ihn mit 21 Jahren deutlich übertreffen. Denn auch wenn die Bezeichnung und vieles andere über die Jahre wechselt: Grundform, Radstände, Rohbau und Bleche bleiben.

Im Vergleich zum T4 zeigt sein Nachfolger entscheidende Vorzüge: mehr Platz im Fahrerhaus, höchst funktionelle Bedienung auf Grundlage eines wuchtigen Cockpits, weitaus bessere Rostvorsorge. Generell sind der Transporter und sein Pkw-Ableger Multivan erwachsen, gediegen und komfortabel wie nie zuvor. Unter der Motorhaube steckt neben den Brot-und-Butter-Motoren tolle Technik. Da wäre ein Fünfzylinder-TDI aus Aluminium mit Räderantrieb für die Nockenwellen – ein halbierter V10 TDI. Oder ein V6-Benziner mit 3,2 Liter Hubraum. Motoren in Zeiten, in denen VW generell mit Super-Technik auftrumpft. Nicht alles hält ewig – nicht untypisch für VW – und der große Benziner ist ein Trunkenbold. Aber schön ist’s trotzdem.

Den Campervan California fertigt VW nun in eigener Regie. Ebenfalls mit feiner Technik: Das Mobiliar basiert auf einer Aluwell-Konstruktion, vergleichbar einer Wellpappe. Drüber thront ein leichtes Aluminiumdach, vorn bespoilert mit dem größten Alu-Druckgussteil der Welt. Abgasvorschriften bestimmen bald die Motorisierungsschritte, die Maschinen wechseln, werden kompakter. DSG-Getriebe halten Einzug. Es folgen ein schickes neues Cockpit und fortwährende Verfeinerungen des Modellprogramms. Dieser Transporter altert nicht er reift. Doch irgendwann ist Schluss: Neue strenge EU-Vorgaben für Cybersicherheit und Asistenzsysteme, auch eine fehlende Elektrifizierung machen ihm im Sommer 2024 den Garaus.

VW Transporter heute: aus eins mach drei

Währenddessen aber hat sich Entscheidendes getan. Basierte die gesamte Baureihe bisher stets auf einem gemeinsamen Basismodell, so teilt sie sich jetzt in gleich drei voneinander völlig unabhängige Reihen auf.

Da wäre der Multivan, die schicke Pkw-Variante, nun flacher und innen hochvariabel bis zum California auf Basis einer Pkw-Plattform. Ist er ein Bulli? Vielleicht. Mit dem batterie-elektrisch angetriebenen ID. Buzz hält der Heckmotor wieder Einzug. Optisch eine Ikone, funktionell nach Wunsch Pkw oder Transporter, alles auf einer gemeinsamen E-Plattform des Konzerns. Ein Bulli? Ganz sicher. Eine Kulturrevolution läutet 2024 der neue Transporter ein. Nun ohne die logische Bezeichnung T7, das hat seinen Grund: Er ist unter Federführung von Ford entstanden und wird ebenfalls von Ford gefertigt. Auch wenn VW bei Design, Bedienung und Modellprogramm eigene Duftnoten setzt – die Verwandtschaft zum ewigen Rivalen ist unverkennbar. Ein Bulli? Wohl kaum.

Das Wetter am 8. März 2025 ist sonnig, wir befinden uns im Jahr der Schlange. In der Schöpfungsgeschichte verführte die Schlange Adam und Eva, die Früchte vom Baum der Erkenntnis zu naschen. Das gilt als Sündenfall mit der Folge der Vertreibung aus dem Paradies. Eine Analogie zum Transporter?

Und hier sind die Storys zu aktuellen Transporter-Generation:
Experten-Vergleich: VW Transporter/Ford Transit Custom
Experten-Fahrbericht: neuer VW Transporter – Land des Lächelns
Experten-Fahrbericht: VW ID. Buzz Pro und ID. Buzz GTX
Experten-Test: VW ID. Buzz Cargo
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